Jeder Reitersitz sagt viel über die persönlichen „Sitzfehler“ des Reiters aus. Und tatsächlich, wenn man genauer hinsieht, kann man deutlich die Spannung und Starre des Rumpfes, übertragen in den Bewegungen der Reiterarme und Beine beobachten.
„Störungen“
Wir können das Pferd auf unterschiedliche Weise „Stören“. Durch statische Festigkeiten und Muskelanspannungen, die das Pferd punktuell belasten, durch Impulse von außen (unsere Fehlhaltungen), die das Gleichgewicht des Pferdes irritieren, durch das Deaktivieren der Pferdesinne (Fixieren) – die das Körpergefühl des Pferdes verändern und durch eine falsche Weitergabe von Informationen an das Nervensystem des Pferdes (Festhalten und Ziehen).
Der Reiter spürt den losgelassenen Zustand seines Pferdes in seiner Hand, weil durch die Balance im Genick der Pferdekopf „leicht“ wird und das Pferd mit seinem Maul in die Hand des Reiters hineinfedern kann. Was aber, wenn der Reiter das durch seine verspannten Schultern hindurch, garnicht spüren kann und im falschen Moment „zieht“?
Die beste körperliche Ausbildung des Pferdes stößt schnell an ihre Grenzen, wenn der Mensch nicht im Schwerpunkt sitzen kann, seinen eigenen Körper dadurch nicht im Griff hat, und nicht mit sich selbst umgehen kann. Oder wenn sich der Reiter mit seinem Körper am Pferd abstützt und dabei schwerfällig und ungelenk in seinen Bewegungen wird.
Die Gesamtbeweglichkeit des Pferdes hängt von der elastischen Koordination, gesteuert vom durchlässigen Rücken ab. Durch Stress, Spannungen und schlechte Gewohnheiten – aber vor allem durch unsere Sitzfehler, verhärten sich die Strukturen, die Muskulatur wird starr und unbeweglich – mit der Folge, dass der Bewegungsspielraum von Muskulatur, Gelenken und Wirbeln eingegrenzt wird und sich negativ auf das neuromuskuläre System des Pferdes auswirkt.
Ich möchte Ihnen (in der Sparte „Sitzfehler“ auf meiner Webseite) verschiedene Bilder von Sitzfehlern aufzeigen, die veranschaulichen, wie sich der Reiter durch einen losgelassenen, durchlässigen und unabhängigen Sitz dem Pferd verständlich machen kann – aber dabei zeigen, wie gründlich ein Reiter mit seinen Bewegungen auch danebengreifen kann.
Der „aktive Sitzfehler“
Wenn der Reiter das Pferd direkt belastet, ihm durch seinen Körper Druck auf den empfindlichen Rücken macht, oder aktiv in das Bewegungsverhalten des Pferdes eingreift ist es ein „aktiver Sitzfehler“, der die nötige Gewichtsverlagerung des Pferdes nach hinten verhindert. Mit der Folge, dass das Pferd kein Gewicht auf die Hinterhand aufnehmen kann und die Vorhand nicht entlasten kann – der Kopf/Hals muss das Gleichgewicht „hebeln“ und wird Vorhand lastig.
Der „passive Sitzfehler“ – wenn der Mensch etwas „nicht macht“
Auch ein „Sitzfehler“ ist es aber, wenn der Reiter etwas „nicht macht“ und schädigende Prozesse im Bewegungsapparat NICHT verhindert. Der „passive“ Sitzfehler, kann z.B. den Kiefer des Pferdes NICHT in eine feine Balance bringen, den vorgelagerten Kopf des Pferdes NICHT „einfangen“ und NICHT mit Rücken und Gesäß weich in die Bewegung des Pferdes eingehen.
„Aktive“ und passive „Sitzfehler“ sind Fehlbelastungen des Pferdes durch den Menschen, bei dem der Pferdekörper eine doppelte oder Dreifache Anstrengung leisten muss, was das Pferd wiederum von seinen federnden Bewegungen im eigenen Bewegungsfluss abhält.
Reiten allein reicht nicht! Sie müssen das Pferd spüren und sich mit ihm bewegen
Allein durch den Irrglauben, dass der Reiter eine Gewichtsverlagerung des Pferdes damit „erzeugen“ kann, indem er seinen Schwerpunkt nach hinten verlagert, entstehen viele folgenreiche, durchaus leicht vermeidbare „Sitzfehler“. Wenn alle Reiter wenigstens im Schwerpunkt des Pferdes sitzen könnten, würde man schon viel für das Pferd tun.
Ist eine „Sitzhilfe“ auch dann eine „Hilfe“ für das Pferd, wenn der Reiter falsch sitzt?
Die „Sitzhilfe“ ist eine der schwierigsten Anforderungen für den Reiter, weil dabei zum Ausdruck kommt, wenn der „Sitz“ unsicher ist. Es ist unmöglich, seine Hände und Beine korrekt zu „bedienen“, wenn das eigene Gleichgewicht gestört ist. In neunundneunzig von hundert Fällen entstehen Widerstände oder Aufregungen beim Pferd, weil eine scheinbar richtig gegebene „Sitzhilfe“ durch falsche Körperbewegungen wieder aufgehoben wird (z. B. der schiebende Sitz)
Anmerkung: als kleine Einleitung in der „Reiterschulung“ mache ich gerne mit einem Teilnehmer eine Übung, bei der man sieht, mit wie wenig man jemand aus dem Gleichgewicht bringen kann, wie irritiert, ja unwillig man auf beeinflussende Reize von außen reagiert, aber wie schnell wir mit klitzekleinen Impulsen das Anspannen der Muskulatur herausfordern.
Ein feines Körpergefühl ist das „must have“ des Reiters – nicht nur „nice to have“
Seinen eigenen Körper zu beherrschen ist das kleine ein-mal-eins des Reiters, weil das Pferd nicht noch mit unseren Spannungen, Festigkeiten und Gewohnheiten umgehen muss, und sie kompensieren und ausgleichen muss.
Was fehlt den Reitern heute am Allermeisten? – ihre Bewegungsfähigkeit
Meine „Reiterschulung“ kann man auch als eine Art Überprüfung sehen, um nicht in einem „Sitzfehler“ zu landen, aber natürlich in erster Linie dafür, um aus den „Sitzfehlern“ des Körpers wieder herauszukommen. Ein umstrukturierter Reiterkörper, der sich automatisch in seine Reitbewegungen einfindet, hat genug Zeit und Kopf, sich lässig mit dem Pferd zu unterhalten.
Statische „Sitzhaltungen“ (oder Sättel) die den Reiter zwingen in Positionen zu verharren, enden unweigerlich in reiterlichen Mangelerscheinungen, die nicht auf das Pferd eingehen können.
In meinem nächsten Artikel beschreibe ich den „schiebenden Sitz“ des Reiters, der die Bewegung des Pferderumpfes auf die Pferdeschulter wirft.
Und was macht Ihr Körper und Ihre Bewegungen so?
Monika Buhl