Der belastbare Pferderücken

Natürlich wäre es ungerecht andere Körperregionen des Pferdekörpers als unwichtig zu bezeichnen, schließlich funktioniert der Pferdekörper nur als zusammenwirkende Einheit und hat wahrlich keine unwichtigen Strukturen. Nichtsdestotrotz nimmt der Pferderücken mit der Wirbelkette eine übergeordnete Stellung ein, weil er eben die Weiterleitung der Sinnesorgane beherbergt, die Eigenwahrnehmung und Körpersteuerung vom Pferderücken abhängig ist und nicht zu vergessen – unserem Körper als “Unterlage“ beim Reiten dient.

Die aus den optimalen Funktionen der Wirbelkette entstehende „Oberlinie“ des Pferdes, zeigt uns tagesaktuell den motorischen Entwicklungsstand des Pferdes an, bei der sich die Aufrichte- und Tragemuskulatur „auffächert“, die Wirbel nach oben „trägt“ und dabei entlastet. Der Rücken des Pferdes darf deshalb nicht passiv unter Druck und Gewicht stehen, und die Bandscheiben zwischen den Wirbeln müssen vor Druckbelastung geschützt werden.

Wie man die innere Plastizität des Pferdekörpers, die dem Pferderücken den entlasteten Schutz vor Druck bietet, entwickelt – darum geht es in der Biomotorik. Denn die irrtümlich als „normal“ angesehenen Schäden des Pferderückens lassen sich sehr einfach vermeiden…

Die unendlich vielen Symptome, Verhaltensstörungen, Belastungen des Bewegungsapparates, Funktionsstörungen, Spannungsmuster, Atemprobleme usw. lassen die Wichtigkeit dieser Körperregion nur im Ansatz erahnen. Doch trotz der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse bleibt der „Ein- und Zugang“ zu der Wirbelkette, das Genick des Pferdes völlig unbeachtet. „Spannung im Genick“ ist völlig normal, das überstreckte „geöffnete Genick“ wurde zum Ausbildungsziel erklärt und über entsprechende Zäumungen wird mit „Druckpunkten“ am Genick „gearbeitet“.  

Auf die am nächsten liegenden Auswirkungen, wie eine gefüllte Ganasche, ein unaktives Zungenbein, mangelnde Zungentätigkeit und Kiefergelenke unter Druck wird dabei nicht geachtet. Es spricht eine sehr deutliche Sprache über den Wissensstand einer Reiterei, wenn der Mensch einen Körperprozess, der von so vielen Faktoren abhängig ist, „abkürzen“ möchte und das Pferd kurzerhand mechanisch aufrichtet. (bei der sich der Mensch übrigens während der ständigen Kontrolle auch gänzlich überfordert – der Rest ist bekannt…)

Die Wirbel entlasten

Die Bewegung des Kopfes und der Halswirbelkette muss durchlässig sein, sonst kann sich der Rumpf nicht geraderichten. Das wichtigste Kriterium ist, das die drei Krümmungen der Wirbelkette in einer Balance mit den ungestörten Wirbel stehen. Die Geraderichtung und die Auf- und Ausrichtung der Wirbel muss daher bei jeder Bewegungsentwicklung im absoluten Vordergrund stehen.

Ist der Kopf und damit auch der Hals fixiert, müsste das Pferd seinen Rumpf hinter dem Kopf geraderichten. Das hört sich nicht nur anstrengend an – das ist unter anatomischer Sicht unmöglich – und nur unter ungeheurem Kraftaufwand der feinen Strukturen rund um das Genick möglich. Die Spannung im Genick des Pferdes wird dabei überhaupt nicht beachtet, die sich von so vielen Stellen des Körpers aus aufbaut und fatale Auswirkungen im Körper des Pferdes hat.

Durch die Wirbelkette des Pferdekörpers laufen wichtige Informationen, die natürlich aufs engste mit dem Bewegungsapparat in Verbindung stehen, und ungeschützt durch die verschiedensten Belastungen verschoben werden können. Einer der gewaltigen Effekte, die die Bewegungsfähigkeit des Pferderückens hat, ist dass die Hüftgelenke des Pferdes von der „Mechanik des Beckens“ gleichsam getragen werden. Oder anders ausgedrückt: weil das Becken motorisch verfügbar ist, werden die Hüftgelenke des Pferdes nicht überbelastet.

Auch bei den Hüftgelenken gilt, wie überall im Körper des Pferdes: Wenn das Becken in seiner fein tragenden und ausbalancierten Bewegungsfähigkeit wegfällt, muss das Pferd mit anderen Strukturen und Gelenken mehr tun, um das Fehlen dieser Körperregionen auszugleichen, um die Strukturen zu stabilisieren und zusätzliche Unterstützung zu bieten.

Wir müssen uns dabei immer wieder vor Augen führen, dass der Pferdekörper immer im gesamten Verbund des Bewegungsapparates „denkt“ – und ein motorischer Wegfall von Körperteilen- oder Regionen immer eine Mehrbelastung des gesamten Körpers und seines Zusammenspiels bedeutet. Denn während die benötigte Stabilität eines unterentwickelten Muskels oder eines Körperteils verbessert wird, reduziert es andererseits die Elastizität des Muskels und behindert das Wachstum eines richtigen, zusammenhängenden, gesunden Muskelgewebes.

Es gilt also die gesamte Wirbelkette des Pferdes zu strecken, um den einzelnen Wirbeln genug Platz und Raum zu verschaffen und vor Schäden zu schützen. Durch die (nur) drei Krümmungen der Wirbelkette streckt sich der Kopf des Pferdes nach oben. (Im Vergleich: bei uns Menschen haben sich durch unseren aufrechten Gang auf zwei Beinen 4 Krümmungen in der Wirbelkette herausgebildet, die aber genauso ihren benötigten Raum zum anderen Wirbel brauchen. Das wusste sogar schon Hildegard von Bingen und ist da – wie in vielen anderen Studien nachzulesen.

Die Wirkung der „biomotorischen Übungen“ auf den Pferderücken

Durch die Ausrichtung des Beckens können sich bei den „biomotorischen Übungen“ die Wirbel optimal platzieren, ohne die umgebende Muskulatur anzuspannen und zu verkürzen. Sie fördern in der ersten Phase eine ganz neue Flexibilität des gesamten Rumpfes und das Pferd kann die Durchblutung (Durchlässigkeit) in neue Bewegungsmöglichkeiten umsetzen.

Es wird also nicht nur das Gewebe rund um die Wirbelkette durch seine Elastizität „gestärkt“, sondern durch die entspannte Muskulatur kann das Pferd anders und tiefer aus- und einatmen, sodass sich der Rücken noch weiter streckt. Der Gesamtzustand des Pferdes ändert sich so verblüffend schnell, dass wir nur ahnen können, wie groß das Defizit vorher gewesen sein muss. Die neue Körperposition, die das Pferd selbst hergestellt hat, wirkt sich äußerst positiv auf Muskeln, Atmung und Organe aus. Der Nutzen der Übungen ist also klar.

Die Wirkung der Ausrichtung auf den Rücken des Pferdes ist so wichtig, dass ich sie noch einmal kurz zusammenfassen möchte:

  • das Gewebe rund um Wirbelkette, Rumpf und Hals) ist nur elastisch und gesund, wenn es gut durchblutet ist (Flexion und Extension) und auch nur dann kommen Informationen durch die Nervensysteme in den Beinen des Pferdes (Bewegungsapparat) an. Übrigens geht es unseren Informationen, die wir dem Pferd geben, genauso.
  • Eine gesunde fließende Atmung sorgt für die Bewegungsfähigkeit in Rumpf und Rippenkorb
  • Eine gesunde Atmung, findet nur dann statt, wenn die Muskulatur entspannt und elastisch, den Wirbeln genug „Arbeits“raum gibt und die Rippen erweiterungsfähig sind
  • die Muskeln um die Wirbelkette entspannen nur, wenn die Wirbel aus und aufgerichtet sind.
  • Die Wirbel und große Gelenke können sich nur dann bewegen, wenn das Becken ausgerichtet und bewegungsfähig ist

damit gibt uns der Pferdekörper selbst, den Plan für den Ablauf der „Biomotorischen Übungen“ vor.

Lesen sie demnächst: der Pferdekörper in der „Gleichheit“ seiner Körperteile.

Monika Buhl