Der Atem ist ein sensibles Gut des Pferdes
Während der Entwicklung der „biomotorischen Übungen“ und des „biomotorischen Trainings (was über viele Jahre ging) stellte ich mir immer wieder eine Frage: „kann man dieselbe Wirkung auch anders erreichen“? Was möchte ich eigentlich mit einer Aktivität am Pferd, mit einer Therapie, Berührung, Massage usw. erreichen? Und was erreicht man tatsächlich. Oder geben diese Maßnahmen vielleicht nur eine kurzfristige Entwarnung?
Können wir dieselbe Wirkung auch anders erreichen?
Sind die traditionellen Methoden, der aufs Reiten ausgerichteten Körperformung tatsächlich der Weisheit letzter Schluss, oder gibt es Alternativen, bei denen das Pferd nicht nur eine, auf das Reiten ausgerichtete Ausbildung durchlaufen muss? Vielleicht eine, bei der das Pferd die für seinen Körper entscheidenden Fähigkeiten durch eigene Erfahrungen erreicht? Wie erreicht man einen eigenregulierten Atemfluss oder wie entsteht eine, von Sauerstoff gesättigte, tragfähige Muskulatur? Muss man die vielen Stoffwechselprobleme-, und Erkrankungen wirklich in Kauf nehmen?
Ich weiß, das sind unpopuläre und oft anstrengende Fragen (für die ich mittlerweile bekannt bin). Und obwohl ich alte Traditionen sehr liebe (weil man so viel von ihnen lernen kann), musste ich mir selbst eine (punktuelle) Missachtung von alten, verstaubten „Regeln“ zugestehen. Aus vielen, vielen Fragen, hinterfragen und in Frage stellen, entstanden Schritt für Schritt die Biomotorik, die „biomotorischen Übungen“ und auf Grundlage des verfügbaren, durchlässigen Pferdekörpers – das Bewegungstraining dazu.
Es entstand das „biomotorische Training“, das dann – quasi aus den NICHTS – ein kadenziertes Reiten entstehen lässt, dass mich sehr an die Reitkunst meiner verehrten alten Meister erinnert.
Eines war mir von Anfang an klar – obwohl für die Erkenntnis der wirklichen Bedeutung auch noch einige Jahre ins Land gehen mussten. Der Pferdekopf muss frei und unbelastet von allen Einwirkungen sein! Wer aufmerksam seine anatomischen Pferdebücher studiert hat, kann zu gar keinem anderen Schluss kommen, weil jede Beeinträchtigung des Pferdekopfes schlimme Folgen für die Bewegungen hat (vom Organismus gar nicht zu reden). Wie sonst soll man Bewegungen des Pferdes gestalten, bei denen ja gerade das Ziel ist sie so weich, so vielfältig, so elastisch, durchlässig und kadenziert wie möglich „hinzubekommen“.
Also musste ich an die „Heilige Kuh“ der Reiterei dran. An Kopfgestelle, Kappzäume, Knotenhalfter, Sperrriemen, Nasenriemen, an Gebisse, Kandaren, Ausbindezügel usw. Ohne die, und das war mein Fazit, anscheinend weder die Reiterei noch die „Freiheitsbewegung“ auskommt. Ich musste, all diese beliebten Sachen, die in Reitsportgeschäften regelrecht „boomen“, auf den Prüfstand stellen, und zwar unter dem Aspekt, wie sehr sie den Pferdekopf verkrampfen (mehr dazu unter „Ausstattung“).
Aus der BIOMOTORIK entwickelte sich mit der Zeit eine Art „Rückführung“ in die biologischen, natürlichen Bewegungen des Pferdes – eine körperliche Umstrukturierung, bei man durch die Entkrampfung von Kiefer, Zunge und Genick zu einer körperlichen Grundlage kommt, bei der sich das Pferd selbstständig (aber unbedingt mit ihrer Unterstützung) aus seinen Spannungszuständen und Einbindungen lösen kann, um sich dann aus „eigenen Kräften“ wieder „frei“ (zusammen mit der Interaktion des Menschen) zu bewegen.
Wie beeinflussbar ist der Pferdekörper?
Für die Frage, wie beeinflussbar der Pferdekörper ist, wieviel manuellen Eingriff und mechanische Umformungen er „vertragen“ kann, müssen wir uns das sehr verletzliche, fein abgestimmte und äußerst fragile Atemsystem des Pferdes vor Augen führen. Es ist tatsächlich die freie Atmung, also die Fähigkeit so effizient, selbstregulierend – bewusst und unbewusst, schnell, langsam – auf seine biologische Weise eben, zu atmen. Daraus entstehen geschmeidige Bewegungen und elastische Strukturen und ja, auch die Fähigkeit, sich an den Menschen anzupassen.
Wir glauben heute, dass Bewegungseinschränkungen, Allergien, Atemwegsprobleme, Stoffwechselprobleme und Spannungen im Pferdekörper normal für das Pferd sind – wir glauben das, weil wir sie überall sehen, weil sie anscheinend irgendwie zum Alltag des Pferdes dazu gehören, und weil praktisch jedes Pferd irgendwie, irgendwo eine Einschränkung der Atemwege hat (es beginnt schon beim Einstieg des Atems – der Nasenatmung). Aber – „Probleme“ mit der Atmung entstehen nicht zufällig – sie haben alle eine Ursache. Und die Lösung findet sich in der verkrampften Kopf/Halsregion des Pferdes.
Stumme Pferdebewegungen
Weil die Situation der verstummten, stecken gebliebenen Pferdebewegungen aber leider das Bild des Pferdes beherrscht (und damit auch das Reiten auf einem verspannten Pferdekörper keinen Bestand hat) ist es umso wichtiger, dass der Nacken des Pferdes eine neue Beweglichkeit in der starren und oft steif gewordenen Muskulatur gewinnt. Einzelne Funktionen des Pferdes isoliert zu betätigen, zu üben, oder sogar zu trainieren, hat nachhaltige Folgen im Pferdekörper.
Dann treffen wir beispielsweise ein Pferdeherz an, dass doppelt so schnell schlägt wie gewöhnlich, ohne dass es den Erfordernissen der Bewegung entspricht. Oder die Schleimhaut des Magens sondert zu viel Säure ab. Der Kopf des Pferdes kann mit den vielen beeinflussenden Reizen nicht mehr umgehen, oder das Pferd kommt nicht mehr zu Ruhe. Das Pferde frisst, ohne Hunger zu haben oder der Stoffwechsel schreit „error“. Das sind alles ernstzunehmende Signale des Pferdes, seines Körpers und seines Systems. Es ist einfach falsch, den Pferdekörper losgelöst aus seinen Zusammenhängen zu gebrauchen.
Und hier sind wir wohl dem Geheimnis von Gesundheit, als auch der Heilung von allen möglichen Krankheiten, aber vor allem Stoffwechselproblemen auf der Spur, denn solange die Organe in die Bewegungen des Pferdes und in die Tätigkeit des Körpersystem miteinbezogen sind, ist das Pferd gesund. Der Einstieg ist der unverkrampfte Pferdekopf und seine Halsregion bzw. der Ausstieg aus der Verkrampfung.
Und deshalb starten die „biomotorischen Übungen“ genau da.