Die „biomotorischen Übungen“ in der ersten Phase – in der Umstrukturierung des Pferdekörpers
Oft beginnen Reiter ihre Erzählungen mit: „mein Pferd ist so unkoordiniert“ – oder, „es hat Stoffwechsel- und Atemprobleme“. Und auch: „die Brustwirbelkette ist abgesenkt – es hat eine „Trageerschöpfung“ und deshalb lahmt es“. Und natürlich: „mein Pferd ist schreckhaft“.
Jedes Reiten stellt den Bewegungsapparat des Pferdes vor völlig neue Herausforderungen. War die Vorhandlastigkeit vorher noch ok, wird sie unter dem Körpergewicht des Reiters zum ernsthaften Problem. Kam das Pferd bislang mit seiner Kopffixierung noch irgendwie klar, verändert nun der Druck auf das Genick, die Bewegungsfähigkeit des ganzen Körpers.
Das neue muskuläre Gleichgewicht der Körperbasis
Geritten zu werden, bedeutet für das Pferd eigentlich ein neues motorisches Lernen, um die Altlasten des „irgendwie“ entwickelten Körpers einzufangen, und nicht noch muskulär zu verstärken. Die neue Motorik, die sich dann auf das zukünftige Reiten bezieht, muss deshalb mit derselben Sorgfalt angegangen werden, wie die unglaublichen Prozesse, die im Körper eines Kindes abgelaufen sind, bis es sich das erste Mal auf die Beine stellt.
Die „biomotorischen Übungen“ der ersten Phase, sind also die praktische „Schule“ für das unvorbereitete Pferd, das erst lernen muss, mit dem eigenen Körper sorgsam und bewusst umzugehen, bevor es mit dem Reiter in Verbindung und körperlichen Austausch gehen kann.
Es ist immer wieder – auch noch nach so vielen Jahren – für mich berührend zu sehen, wie ein Pferd zu Beginn die ihm unbekannten „biomotorischen Übungen“ angeht. Es versteckt sich dabei nicht hinter Regeln und Prinzipien (wie der Mensch), sondern es legt einfach begeistert los. Zuweilen ohne große Kontrolle und Anmut – aber das ist ja ein Teil des Problems. Die Pferde machen aus unserer Sicht „Fehler“ und fangen von vorne an (dabei lernen sie am besten).
Sie nehmen nun die eigentlich gewohnten Einschränkungen und Festigkeiten ihrer Körperteile wahr und lernen mit meinen Hinweisen, sich selbst davon zu befreien. Dabei machen sie IHRE eigenen „Fortschritte“ – es ist ihr persönlicher Prozess der Umstrukturierung. Jedes Pferd geht mit der Befreiung seiner Körperteile und des Genicks, unterschiedlich um. Aber – Bewegung in der Vielfalt der Möglichkeiten und seiner Fähigkeiten ist eben das einzige Mittel, um den Körper dann auch unter dem Reiter präsentieren zu können.
Durch die Umstrukturierung, die durch die Gewichtsverlagerung entsteht, lernt das Pferd seine Hinterhand zu belasten (und nicht mehr die Vorhand). Mit der Genickentlastung – mit dem gleichzeitigen „von hinten“ angehen – haben Sie einen biologischen Anreiz, der Sie und ihr Pferd ihr ganzes Leben hindurch begleiten wird um das Pferd vor Schädigungen des Kopf/Halses, der Atemfunktionen, Zungen- und Kiefergelenksproblemen (Ganaschenzwang) bewahren wird.
Sie werden schnell sehen, wie sich die Umstrukturierung beim Pferd auswirkt. Wie das Pferd selbst beim Angehen seinen Kopf weich in die Bewegungen des Rumpfes integriert und damit seine Lenden/Beckenverkürzungen auflöst (die angezogene „Handbremse“ löst). Wie sich die Spannung der Beine verbessert, die Koordinierung der Beine harmonischer und selbstbewusster wird und sich die großen Gelenke aus der strukturellen Verankerung/Einbindung herausarbeiten
Der Bewegungsapparat des Pferdes kommt zu seinem Recht
Der Organismus und der Bewegungsapparat will nichts anderes als geschmeidige Bewegungen ausführen, die gleichzeitig die Organe nähren (z.B. Zwerchfell). Durch die sehr grundsätzlichen, immer reitvorbereitenden „biomotorischen Übungen“ erfährt der Bewegungsapparat des Pferdes sämtliche Wohltaten, denn sie verändern die Bewegungen des Pferdes von Grund auf.
Die Umstrukturierung des Pferdekörpers ist eine ursächliche Veränderung, bei der das Pferd selbst mitmachen kann und auch muss. Das motorische Gehirn muss über die Aktivierung seiner Sinne die Bewegungen selber anleiten, damit sie Schritt für Schritt, in einem sanften persönlichen Prozess des Pferdes, in bereits bestehende Bewegungen integriert – und dann abgespeichert werden. So verändert sich der Pferdekörper im physischen wie im psychischen.
Durch die Umstrukturierung kommt das Pferd zu einer einsatzbereiten und durchgebildeten Hinterhand. Die Umstrukturierung ist deshalb kein Muskelaufbau! Sie entsteht von innen nach außen, nimmt also auch die organische Funktionalität mit. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass der Strukturaufbau nur vom Körpersystem selbst angeleitet werden kann. Die hochfeinen Sinnes- und Nervensysteme spielen dabei die fast wichtigste Rolle.
Die „biomotorischen Übungen“ sind zu 100% Reitbezogene Übungen
Grundsätzlich kann man mit einem Pferd nicht interagieren, wenn das Pferd mit seinem eigenen Körper nicht umgehen kann – es endet immer in Missverständnissen, die wir in der Schiefe, in Ausweichmuskulatur, Spannungsmustern, Einbindungen, Genickstarre, der Undurchlässigkeit und vieles mehr sehen müssen, die alle durch einen Muskelaufbau noch verstärkt werden.
Durch die „biomotorischen Übungen“ werden Sie verstehen, dass das Reiten die biologische Grundlage des Pferdekörpers benötigt – auch wenn dieses Verständnis lange Zeit reitideologisch verzerrt war. Indem wir den Körper des Pferdes mit seinem Bewegungsapparat versöhnen, profitiert unsere menschliche Biologie und das gemeinsame Reiten.
Wir haben damit die große Chance, eine Verbindung zwischen der Pferdebewegung und seiner Gesundheit, zwischen den körperlichen und emotionalen Fähigkeiten des Pferdes – was man mit Bewegungsverhalten beschreibt – herzustellen. Das komplexe Immunsystem des Pferdes wird zusehends stärker, der Stoffwechsel und die Atmung reguliert sich durch die Bewegung des Pferdes, die nun durch die Umstrukturierung auf den ganzen Körper verteilt wird.
Über das Zusammenwirken seines Körpers kann das Pferd beim Reiten anders agieren, und wir verstehen immer besser, warum das Pferd als Ganzes funktionieren muss. Wir können uns dann, nachdem alle Probleme im Körper des Pferdes ausgeräumt sind, lieber auf das Wesentliche konzentrieren (Phase II) – auf den Bewegungsaufbau und die Entwicklung von ausdrucksvollen Gängen, an denen sich dann der ganze Pferdekörper einschließlich seiner Sinne beteiligen kann
Und so verändert sich der unvorbereitete Körper durch die Umstrukturierung:
- Durch die Genickentlastung entwickelt sich der frei getragene Pferdekopf (Genickbiegung)
- Aus dem „Becken öffnen“ wird die Geraderichtung von Hüfte und Becken – und damit die Aus- und Aufrichtung des Pferdes von hinten
- Durch die Genick- und Beckenbalance kann sich der Pferdehals runden (Halsformung)
- Aus dem Vertrauen zur Hand („das Maul federt in die Hand“) entwickelt sich die „federnde Genickbalance“ des Pferdekopfes
- Aus der Schulterfreiheit, der Entlastung und Öffnung des Vorderbeines kann die Gewichtsverlagerung „nach hinten“ mit „organischer Rumpfbewegung“ entstehen.
- Aus dem „Angehen von hinten“ die Entwicklung der „Hanke“ und eine Hinterhand die Kraft aufnehmen und sich auf die „Hanke“ setzen kann.
- Aus dem wachsenden Halsgeflecht entwickelt sich die Selbstaufrichtung des Pferdes
- Aus der Streckung der Wirbelkette und der richtigen Platzierung der einzelnen Wirbel entwickelt sich der flexible, durchlässige Rücken und gleichzeitig werden die Rippen zur besseren Sauerstoffaufnahme elastischer.
- Aus dem „Sicherheitsrahmen“ voll lebendiger Bewegung kann sich als konzentrierte Durchlässigkeit die „Dynamik“ entwickeln.
- Aus der Interaktion entwickelt sich die tiefe, aufmerksame Verbindung des Pferdes zum Menschen – und damit das gelassene Bewegungsverhalten des Pferdes beim Reiten.
In meinen Mentorings begleite ich sie von Anfang an – also von der Umstrukturierung des Pferdes, über den Aufbau und die Entwicklung von Bewegung und Gängen, hinein in die Umsetzung zum Reiten.
Monika Buhl
Wenn Sie die Umstrukturierung ihres Pferdes starten wollen – oder einfach grundsätzlich an einem Austausch interessiert sind, melden Sie sich doch gerne unter biomotorik@gmx.de
Alles über die vielen Disziplinen der Bewegung, die wir uns zum Reiten leisten sollten, finden Sie auf dieser Webseite