Biomotorik – wie alles begann
Die Biomotorik ist eigentlich unabsichtlich entstanden, damals vor vielen Jahren, als ich die Natur nach Inspirationen und wirksamen Lösungen für die vielen Probleme des Pferdekörpers beim Reiten durchforscht habe. Da das Pferd uns so unglaublich viele Varianten von Bewegung anbietet, beeindruckte und fesselte mich das Nachbilden von Bewegungsvorgängen, die IM PFERDEKÖRPER entstehen, weitaus mehr – wie durch endlose Wiederholungsschleifen erzeugte künstliche Abläufe, in denen das Pferd und seine Gänge nicht mehr zu erkennen sind.
Ich wollte ein Verständnis für die Bewegungen des Pferdes bekommen, die so hochentwickelt sind, dass sie kadenziert und in sich bewegend – ein einzigartiges „Naturschauspiel“ bieten. Ich wollte mehr, nein, möglichst alles über diese „mysteriösen“ Strukturen des Pferdes wissen, die sich von innen so vernetzen können, dass das Skelett NICHT in sich zusammenfällt, Knochen und Gelenke sich NICHT gegenseitig abreiben und Organe lebendig und funktionsfähig erhalten.
Und natürlich war ich interessiert daran, was WIR dazu beitragen müssen und wie wir uns bewegen müssen, um die dann natürlich ablaufenden Vorgänge in das Reiten einzubinden. Welche Forderungen der Pferdekörper an uns hat, wenn wir es mit unserem Gewicht belasten? Und wie wir verhindern können, dass das Pferd unter uns eingeschränkt und schwerfällig wird?
Kurz und gut, ich wollte, dass mir der Pferdekörper sein Geheimnis verrät, wie das Pferd seine Motorik erzeugt, die genialerweise immer das ganze Körpersystem beteiligt, mit der sich das Pferd aus seinen gespeicherten Überlebensmechanismen – dem reflexhaften Verhalten verabschieden kann – bevor ihm die anfänglichen Kraftreserven des jungen Pferdes ausgehen.
Ich wollte den Unterschied zwischen mechanischen Bewegungen und der Körpereigenen Motorik kennenlernen. Diese durchlässige Interaktion zwischen Gehirn und Körper des Pferdes, die den ganzen, komplexen Bewegungsorganismus, einschließlich Atmung und Stoffwechsel in die Bewegungen integriert – und damit auch die Gänge des Pferdes in ihrer Reinheit ausbildet.
Und heute?
Die aktuellen Probleme des Pferdes lassen sich nicht mehr wegdiskutieren. Die Welt, in der die Pferde aufwachsen hat sich entschieden verändert – wohlgemerkt ein Pferd dass vom ersten Tag an seine Bewegungsspielräume ausloten muss um überlebensfähig zu werden. Die Ereignisse in der großen Welt des Pferdesports haben ihr Übriges dazu getan, dass Pferde uns durch ihren Körper, ihr Verhalten, oder beides, darauf aufmerksam machen, dass die Bedingungen für ihren Körper nicht mehr stimmen – und wir unsere „Hausaufgaben“ wohl nicht richtig machen.
Die reale „Natur“, spielt beim Pferd schon lange keine Rolle mehr. Die wirkliche Natur – die, in der sich das Pferd anpassen muss, um zu überleben, gibt es nicht mehr. Es gibt keine Natur, die Noten für künstliche, hoppelnde Bewegungen vergibt – ganz einfach deshalb, weil das Pferd schlicht und einfach mit einem derart verspannten Körper keine Chance hätte zu überleben.
Bevor Pferde Probleme machen, haben sie welche in ihrem Körper
Werden dann noch disziplinierende Maßnahmen angewandt (die natürlich nicht zum Erfolg führen) stellt sich im Pferdekörper, Stress, Überforderung, Resignation oder Aggression ein. Dass die eigene Motorik des Pferdes, das ist die, die im Organismus eine wirkungsvolle Fülle fördert – die mechanischen einstudierten „to go“ Bewegungen entschärfen kann, liegt doch so nahe. Man muss sich ernsthaft fragen, was den Blick des Menschen ablenkt, um zu sehen, was direkt, so greifbar im Pferd vor ihm liegt, das wir uns nur noch damit verbinden müssen.
In den aller- allermeisten Fällen belasten wir einfach den Pferderücken mit uns. Natürlich ist dann das Becken des Pferdes nicht länger frei und kann das Gewicht des Pferdes (zusätzlich mit unserem) nicht mehr klar, spannungsfrei und balanciert ausgerichtet an die Beine abgeben.
Auf die Auf- und Ausrichtung des Skelettes kommt es an
Wie aber soll ein Pferd seine Bewegungen koordinieren können, wenn es keinen durchlässigen Rücken – und der Kopf/ Hals des Pferdes keinen Anschluss zum übrigen Bewegungsapparat hat (Halsgeflecht). Wir diskutieren so leidenschaftlich um eigentlich unwichtige Dinge der Reiterei, und vergessen das grundsätzliche. Nämlich die Körperfunktionen zu erhalten und so zu fördern, damit das Pferd unser Gewicht, dass viel zu oft ein Ungleichgewicht ist, mit einkalkulieren kann.
Wir sollten aufhören, das Pferd so zu behandeln, als hätte es keinen eigenen Körper
Mich begeisterte damals, in welch genialem Prozess sich das Pferd in der Natur umstrukturiert. Es verändert dabei nicht seine Bewegungen. Nein, das wäre viel zu fehlerintensiv, und das kann sich die Natur nicht leisten. Das Pferd nutzt dazu seinen Gleichgewichtssinn – das heißt, es passt sich wie selbstverständlich mit den Funktionen seines Gleichgewichtes an die Umwelt an.
Das Pferd verändert sein Gleichgewicht, nicht seine Bewegungen
Das musste ich mir unbedingt abschauen, denn während der Mensch die Bewegungen des Pferdes noch mechanisch verändert, und das Pferd in seinen Körperteilen überstrapaziert, bis schließlich das ganze Körpersystem außer Kontrolle gerät, verlagert das Pferd durch veränderte Situationen der Umwelt, die Aufmerksamkeit im Körper, erweitert sein Körpersystem mit frischen Bewegungsinformationen und füllt sie immer wieder auf. So genial einfach…
Ich begriff, wie wichtig in der Natur die Veränderung des Gleichgewichtes ist, um sich körperlich weiterzuentwickeln. In einer eher langweiligen reizarmen Umgebung pendelt sich das Pferd nur in seine Vorhandlastigkeit ein. Je öfter aber das Pferd sein Gleichgewicht ändert (z.B. durch das fördernde Spiel mit Artgenossen) desto öfter „bemerkt“ das Gehirn die Ungleichgewichte im Körper und stimuliert den Organismus zum Ausbalancieren der Strukturen.
Wenn die Natur als Vorbild dient
Der mittlerweile geschützte Begriff der „Biomotorik“ setzt sich aus den beiden Wörtern bios = Leben und motorik = bewegen zusammen. Und der Name ist tatsächlich Programm geworden: aus der selbstwirksamen Eigenbewegung des Pferdes gestalten sich Gänge und dann ein selbstverständliches Reiten in Ausdruck, Vielfalt und in Bewegungsfreiheit. Die Natur zeigt uns ja meisterhaft und vorbildlich, wie der Pferdekörper Herausforderungen am einfachsten und effizientesten bewältigen kann. Wir müssen uns nur von ihr inspirieren lassen.
Seit ich so viel über die Wirksamkeit der inneren, eigenen Bewegung weiß, ist es mir wichtig geworden das einzelne Pferd dabei zu unterstützen, dass es sich von seinem Atem und seinen Organen bewegen lässt. Aus den Erkenntnissen der „Biomotorik“, und den vielen praktischen Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Pferden in meiner Hand, habe ich begonnen die „Biomotorik“ in für jeden anwendbare „biomotorische Übungen“ zu verpacken.
Mittlerweile stecken viele Jahre Forschungsarbeit in den „biomotorischen Übungen“, die ich auch in meinen „Mentorings“ weitergebe. Die „Anwendbarkeit“ für den „User“ ist dabei entscheidend. Wie also der „Anwender“ diese spielerische Selbstwirksamkeit umsetzen kann, damit das Pferd seine ureigene „Motorik“ – aber auch eigene „Lösungsstrategien“ entwickelt und seinen Bewegungsorganismus umstrukturiert. Auch und vor allem, wenn die angelegte Körpermechanik des Pferdes vorher durch mechanische Bewegungen verhindert wurden.
Die Lösungen der Natur weisen der Körperausbildung den Weg
In den „Einzellösungen“ der „biomotorischen Übungen“ geht es darum, jedes Pferd in seiner Persönlichkeit und Unterschiedlichkeit zu beachten. Aber auch den Menschen in seinen persönlichen Fähigkeiten und besonderen Potenzialen abzuholen und ihm das Erleben der „Biomotorik“ zu vermitteln. Also der Unterstützung, die den gesamten Pferdekörper dazu anregt, sich von innen heraus – in seinen Strukturen – zu entspannen und voller zu atmen.
Die automatisch regulierten Atembewegungen, der motorische Rücken und befreite Gelenke, die dann vom Gehirn des Pferdes bewegt werden, bilden die Basis für die Entwicklung des Pferdes zum Reiten und genauso für die Entwicklung der Gänge. Damit das Pferd auch komplexe reitbezogene Bewegungsmuster meistern kann, muss vor allem das „ursprüngliche“, reflexhafte Bewegungsverhalten durch bewusste, motorische Bewegungen abgelöst werden.
Diese grundlegende Präsenz der eigenen Motorik, gefüllt mit organischen Bewegungen, verleiht dem Pferd Aufmerksamkeit, Leichtigkeit, Kraft und Eleganz. Mit dieser Präsenz, die der Mensch mit seiner Interaktion aktiv unterstützt, findet das Potential des einzelnen Pferdes in seinen Gängen vollständigen Ausdruck, bis hin zur tänzerischen Choreografie des Reitens.
Die Natur des Pferdes hilft dem Pferd, wenn wir ihr helfen, sich frei zu entfalten
Bewegung geschieht durch die Zellen des Körpers. Wenn alle Zellen frei und ungehindert atmen können, dann kommunizieren sie mit allen anderen Zellen. Und auch da begegnet uns die Natur wieder – die ihre im Körper angelegten Bewegungs-Trümpfe immer vollständig ausspielt. Die Natur hält nie zurück, sondern greift ins Volle – was man dann bei den kadenzierten Bewegungen sieht, die das Spiel mit der Schwerkraft und mit dem Leben überhaupt meisterhaft beherrschen.
Die Natur fixiert nicht, begrenzt und beeinträchtigt nicht – sondern zeigt voller Stolz, was sie hat. Wenn die Natur sprechen könnte, würde sie uns vielleicht die Frage stellen, ob wir uns nicht ein bisschen schlauer verhalten könnten und warum wir unsere Fähigkeiten, die sie in uns angelegt hat, nicht besser und sinnvoller einsetzen. Wir brauchen die Natur doch nur nachahmen – und sollten doch eigentlich wissen, dass aus einem statischen, nie etwas lebendiges entsteht.
Und so geht es weiter…
Die Kunst mit der Natur des Pferdes zu reiten
„Wenn wir nicht in der Lage sind, das Reiten im Körper des Pferdes zu finden, wo wollen wir es sonst finden? ”
Das Entscheidende für das Reiten ist es, dem Pferd die Möglichkeit zu geben, im Körper eine Grundbasis für seine reitbezogene Motorik zu schaffen. Für das Pferd genauso wie für den Menschen, ist es essenziell, seinen Schwerpunkt immer in die richtige (weil unbelastende) Lage zu bringen. Ein Mensch, der reiten will, muss sein Gleichgewicht beherrschen – denn wie ein Radfahrer müssen WIR beim Reiten das Gleichgewicht bewahren können und nicht das Rad.
Ihre Monika Buhl