Der Körperaustausch mit dem Pferd

DER KÖRPERAUSTAUSCH DES MENSCHEN MIT DEM PFERD

Bis heute fasziniert mich die unbeschwerte, ja spielerische Leichtigkeit einer Reiterei, in der sich der Mensch und sein Pferd mit ihren Körpern austauschen. Das ermöglicht ein Reiten, dass sich nicht auf das „Reiten“ bezieht, sondern auf die körperliche Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Bei der sich während der wechselseitigen Abstimmung das eigene Körpergefühl verbessert und verfeinert und jeder in seinen eigenen Bewegungen und Fähigkeiten wachsen und sich entwickeln kann.

Das „Reiten im Körperaustausch“ übernimmt die Aufgabe, Pferd und Reiter in ihren Bewegungen zusammenzuführen – das macht den Wert – und auch den Reiz dieses Reitens aus

So unbeschwert und lässig diese Reiterei nach außen hin auch aussehen mag, in dem so spielerisch anmutenden körperlichen Dialog laufen unendlich viele biologische Mechanismen zwischen dem Körper des Pferdes und des Menschen ab. Die Interaktion wird deshalb auch als die älteste Form des „Lernens“ bezeichnet – es lässt eine Atmosphäre entstehen, die gelebte Bewegungen erleichtert – weil der Austausch von „Bewegungserfahrungen“ möglich wird, die sich nicht über das Pferd stellen.

Der Mensch tritt beim Körperaustausch mit dem Pferd „in Beziehung“

Der Körperaustausch – der körperliche Dialog mit dem Pferd – braucht dabei nicht die geschickte Handlungsführung des Reiters, sondern die bewusste körperliche Aufmerksamkeit sich selbst und dem Pferd gegenüber, bei der bei beiden alle Sinneswahrnehmungen geschärft werden, und sich die intuitive Aufmerksamkeit des Menschen mit der Aufmerksamkeit des Pferdes verbindet.

Die reiterliche Praxis lernt uns, wie man reiten kann – die Anatomie lehrt uns die Form der Körper – der Ausdruck des Pferdes aber, der liegt im „Tun“ des Reiters

Die sorglose, unbefangene Leichtigkeit, die uns im „Körperaustausch“ mit dem Pferd so fasziniert und gleichzeitig so rätselhaft erscheint, kann man, nüchtern gesehen als das physikalische „Phänomen der spontanen Synchronisation“, beschreiben, bei der aus einem Durcheinander von Bewegungen plötzlich und ohne äußere Kräfte, eine gemeinsame dynamische Bewegungs„ordnung“ in Form von synchronen – also gleichzeitig ablaufenden Bewegungen entsteht.

Dasselbe physikalische Phänomen – das uns auch bei Fisch- oder Vogelschwärmen verzaubert oder bei Gänsen, die ohne Boxauto mit ihren Körpern zu spielen – wie von Geisterhand bewegt – sehr schnell ihren Gleichtakt finden – kann auch im reiterlichen „Körperaustausch“ genutzt werden. Der Mensch muss eigentlich nur verstehen, wie man das Wesen des Pferdes, mit seinen ihm eigenen Ausdrucksmerkmalen, seiner Lebensgeschichte und seinem Körperzustand annehmen kann.

Genau wie bei Brücken oder pendelnden Uhren ist das Pferd und der Reiter, in sich beweglich. Die winzig kleinen gemeinsamen Bewegungen werden nicht bewusst wahrgenommen, führen aber in beiden Bewegungsmustern, zu ganz kleinen Veränderungen des Bewegungsablaufs. Ich nenne das die „Abstimmung“. Es ist in der Bewegungsentwicklung des Pferdes anfangs das wichtigste Element.

Ohne das Pferd und Mensch sich darüber im Klaren sind, entfaltet sich das „Dialogische“, d.h. beide Bewegungsmuster werden sich von Mal zu Mal, bei jedem Körperaustausch, Schritt für Schritt, ein kleines wenig ähnlicher, weil sich beide mit den Eigenbewegungen des anderen abstimmen. Nun kann man den organischen Mechanismus des „Körperaustausches“ erkennen – bei dem sich das Pferd mit all seinen Körperfunktionen an den Menschen anpasst – und der Mensch ebenfalls mit seinen Körperfunktionen an das Pferd. Das Pferd wird zu einem Spiegel der Menschenbewegungen.

Die Pferdebewegungen werden auf diese Weise nicht reiterlichen Zwängen „geopfert“ und unterscheiden sich deutlich von den sonst beim Reiten so üblichen „Methoden zur Pferdeerziehung“. Sie beinhalten die innere „Körperhaltung“ des Menschen dem Pferd gegenüber und zeigen somit echtes Interesse an den Bewegungen des Pferdes – was beim Pferd „natürlich“ ankommt.

„Das Pferd stressen Bewegungen, die wir nicht machen, mehr als die, die wir tun“

Anders als bei traditionellen Konzepten, bei denen der Reiter versucht, dem Pferd Bewegungen zu „vermitteln“, indem man Kontrolle über das Pferd bekommt, sucht der „Körperaustausch“ nach Bewegungen des Pferdes, die dem Pferd zuvor unbekannt waren. Das Pferd wird „offen“ für seine Bewegungen. Die Bewegungen des Pferdes wahrzunehmen, sie anzunehmen und zu respektieren, sie erst mal stehen zu lassen und sie nicht zu überwinden, vermeiden oder verändern zu wollen – darin liegt der Kerngedanke des Körperaustauschs.

Eine Bewegung des Pferdes die sich falsch anfühlt – hält immer eine Abstimmung für uns bereit

Ich glaube nicht daran, dass man „falsche Bewegungen“ des Pferdes „korrigieren“ muss. Damit bewerten wir nur die Bewegung des Pferdes, ohne den Gesamtzustand zu überblicken. Wenn überhaupt, dann zeigen sie uns, dass das Pferd so unorientiert, unsicher und konditioniert in seinen Bewegungen ist, dass es seine passende Bewegung nicht finden kann. Für uns also ein ganz klares Signal, dass das Pferd unsere Abstimmung, unsere Orientierung und Sicherheit braucht.

Der Körperaustausch beim Reiten ist eine „junge Kunst“

Das Reiten, das den Reichtum und die Vielfalt der Pferdebewegungen herausstellt, könnte man als eine „junge Kunst“ bezeichnen, basiert aber tatsächlich auf den uralten Wurzeln und Traditionen eines Reitens (die es in jeder Epoche gab), bei dem sich der Pferdekörper mit dem Menschenkörper synchronisiert und in Gleichklang gebracht hat. Mir hat vor vielen Jahren die „biomotorische“ Sichtweise, um Bewegung ganz anders – aus unendlich vielen Aspekten – zu sehen, dabei geholfen, diese Art der Reiterei wieder freizulegen und wiederzuentdecken.

Sie möchten ihrem Pferd etwas Gutes tun

Ihr gemeinsames Leben für und mit dem Pferd wird leichter werden, wenn Sie sich nicht mehr einreden lassen, dass sie die Bewegungen des Pferdes verändern und verbessern müssten. Ohne massiv in das Körpersystem des Pferdes einzugreifen, ist das gar nicht möglich. Wenn Ihnen eine Bewegung ihres Pferdes nicht passt, dann ist das eben so – sie haben ja noch ca. 4000 – 8000 Bewegungsabstimmungen am Tag, um die Bewegungen synchron werden zu lassen. Alles andere zieht nur ihre Kraft und bringt dem Pferd rein gar nichts.

Ein Pferd, dass etwas gerne macht, muss nicht motiviert werden – wir alle kennen das Phänomen, wenn wir verliebt sind und unsere Herzen im Gleichklang schlagen

Dazu müssen wir unser „Ego“ (das uns natürlich pausenlos einflüstert, wir könnten einem Pferd etwas beibringen, und dabei gerne Souveränität mit Dominanz verwechselt, erst mal wegpacken und wirklich jede gemeinsame Zeit nutzen, um uns mit dem Pferd abzustimmen und zu synchronisieren, damit der körperliche Funke immer wieder überspringt. Je selbstverständlicher der aus ihnen herausspringt – umso klarer, tiefenentspannter und gelassener sind sie in ihrem Körperausdruck.

Das Pferd ist unser Spiegel

Das ist ein alter Spruch, der so viel Wahrheit enthält: „das Pferd ist der Spiegel, in dem wir unsere Bewegungen sehen“. Reiten ist also pure Projektion. Wenn Ihnen nicht gefällt, was Sie in ihrem „Spiegel“ sehen, bringt es nicht viel, die Bewegungen des Pferdes zu korrigieren, wenn Sie eigentlich ihre eigenen meinen. Es kann deshalb sehr befreiend für beide sein, sich erst mal um seine Bewegungen, die eigene „Körperhaltung“ und den Ausdruck, der dabei entsteht, zu kümmern.

In der „Reiterschulung“ unterstütze ich Sie gerne dabei und zeige Ihnen wie Sie sich in und mit ihrem Körper und ihren charakteristischen Bewegungen bewegen können, die sie dann ohne schlechtes Gewissen ihrem Pferd anbieten können.

Monika Buhl

Die nächste Reiterschulung findet am 26. – 27. August in Wörgl statt.

Weitere Reiterschulungen in diesem Jahr:

09.09./10.09 Reiterschulung – Maulbronn/Pforzheim bei Stuttgart

16.09./17.09 – Reiterschulung in 8093 St. Peter (A) unterhalb von Graz

21.10. – 22.10. Reiterschulung in Salzburg

04.11. – 05.11. Reiterschulung in Maulbronn bei Stuttgart

11.11./12.11. Reiterschulung bei Köln

25.11./26.11. Reiterschulung bei Hannover

13.01. – 14.01. 2024 Reiterschulung in Kiel