Die „biomotorischen Übungen“
Die schnellste Art, den unbelasteten Zustand des Pferdekörpers, seine Bewegungsfähigkeit und seine tragfähige Belastungsfähigkeit zu gewinnen (oder auch wiederzugewinnen), ist es, die einzelnen Wirbel des Pferdes dazu zu bringen, sich wieder „normal“ zu bewegen, mit dem Platz und Raum, wie es die Natur für den Pferdekörper vorgesehen hat.
Das Pferd braucht die Vielfalt seines Körpers, um einen Prozess zu starten, der aus der angeborenen Körpermechanik, dem Muskelsystem, dem Organismus – also aus allem, was der Pferdekörper zu bieten hat, entsteht. Diese Vielfalt bewirkt die „natürliche Aufrichtung“ – einem muskulären Aufbau aus durchlässigen positiven Bewegungen – der selbst und aus sich selbst heraus entstehen muss.
Die „biomotorischen Übungen“…
…sind denkbar einfache, unspektakuläre, aber posturale Bewegungen des Pferdes, die den Pferdekörper – vor allem langfristig – in „positive Bewegungen“ führen, d. h. Bewegungen ohne Spannungs- und Stresszustände im Körpersystem des Pferdes. Ich habe sie in den „biomotorischen Übungen“ zusammengefasst und so aufbereitet habe, dass sie für jeden anwendbar sind.
Was mir persönlich an den biomotorischen Bewegungen des Pferdes am besten gefällt, ist ihre Einfachheit – aber zugleich auch die Umkehrung der gängigen Vorstellung, dass die Pferdebewegung Muskelkraft, Durchhaltevermögen und viele Wiederholungen verlangen. Durch die „Übungen“ entsteht ein Pferdekörper, bei dem weder Stress, Angst noch Spannungen den Takt angeben und das Pferd dem Menschen mit seinen körperlichen Möglichkeiten begegnen kann.
Den aus der Kraft entstehenden Muskeln des Pferdes wird heute leider ein sehr hoher Stellenwert gegeben. Die „biomotorische Übungen“ dagegen trainieren und stärken ganz bewusst NICHT das Muskelsystem des Pferdes, das ja gerade bei Belastung (mit dem Zusatzgewicht des Reiters) sehr stör- und Stressanfällig ist. Häufig benutzte Muskeln, aber auch Ausweichsmuskulatur, die die Gelenke vor einer Überbelastung schützen, verschieben das Gleichgewicht im Pferdekörper, sie sind extrem kontraproduktiv für eine Ausbildung, die die Balance sucht und in jeder Situation fördert.
Die Fokussierung auf die „tragenden Körperteile“ machen den Unterschied zwischen einer muskulären, meist manuell hergestellten Aufrichtung und der „natürlichen Aufrichtung“ des Pferdes, die von innen heraus erfolgt. Der für seine Bewegung freie Rücken (auch mit Reiter), der das Pferd nach vorne gehen lässt, entwickelt die Muskulatur, die das Pferd für ausdrucksvolle Bewegungen braucht – ganz ohne die Selektion des Menschen.
Alles hat im Körper mit allem was zu tun…
Jeder einzelne Wirbel der Wirbelkette ist umgeben von Nerven, die für die normale Muskel- und Organfunktion verantwortlich und mit den verschiedensten Strukturen verbunden sind. So können Funktionsstörungen sowohl in Organen wie auch in den Bewegungen des Pferdes auftreten, wie z.B. fasziale Verspannungen um die Leber herum, auch Verspannungen der Schulter auslösen können. So können aber auch die Verspannungen der Schulter, Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule verursachen, die dann u.a. für eine schlechte Nervenversorgung der Leber verantwortlich sind.
Das Resultat der positiven Bewegungen, die den Pferdekörper in seine „natürliche Aufrichtung“ bringen, ist ein Zustand des Pferdekörpers, in dem alles möglichst gut, reibungs- und belastungsfrei zusammenpasst und so in Bewegung kommt. Damit ist der – zur Aufrechterhaltung der inneren Organe und der Atmung – erforderliche Energieaufwand für den Pferdekörper am geringsten.
Ein neues Gefühl: Entspannung in der Bewegung
Bewegung in der Ent-Spannung (also ohne Stress und Spannung) des Körpers – auch das kann man sich mittlerweile gut erklären: In der aufmerksamen, aber spannungsfreien Konzentration des Körpers verändern sich die Gehirnwellen zu den sogenannten Alphawellen (das sind relativ langsame Gehirnwellen, die für einen entspannten Körper kennzeichnend sind) und den Thetawellen (die durch die „Entspannung“ die Hirnbereiche deaktiviert, die für Angst zuständig sind).
Die tiefen, durch den ganzen Pferdekörper durchgehenden Bewegungen fördern die bewegte Entspannung – oder entspannte Bewegung – wie man will…
- Durch die „biomotorischen Übungen“ findet das Pferd das richtige Gleichgewicht zwischen Kräftigung und Steigerung der Beweglichkeit in den Muskeln und damit den fortlaufenden Prozess vom elastischen bis hin zum plastischen Aufbau des Körpers.
- Der Aufbau der elastischen und plastischen Muskelkraft wirkt dem Knochenabbau und der Gelenksbelastung entgegen, die sonst den Abrieb in den Gelenken und ein Zusammensacken des Pferdekörpers bewirkt. Und – er bereitet das Pferd auf ein gesundes Altern vor.
- Die Steigerung der elastischen Flexibilität (Federung in den Gelenken) in der „natürlichen Aufrichtung“ erhält den Bewegungsspielraum länger „aufrecht“ und fördert ihn bis zur Kadenz (der Schwebephase in der Bewegung).
- Die Verbesserung des dynamischen Gleichgewichtes fördert das Körpergefühl des Pferdes, das Richtungsbewusstsein und auch die Fähigkeit zum Halten (das Halten ist ein genauso aufwendiger Prozess im Pferdekörper wie das Angehen). Das Halten und Angehen kann deshalb nicht oft genug „geübt“ werden.
- Verhaltensbedingte Gehirnveränderungen werden verhindert – das Pferd bleibt bis ins hohe Alter hinein aufmerksam auf seine Umwelt, seinen Körper und auch auf den Menschen.
- Die „biomotorischen Übungen“ hilft dem Pferd bewegungsfähig zu werden und langfristig zu bleiben, da sie die funktionale Kraft des Organismus steigern. Auch die Alltagsbewegungen – so eingeschränkt sie manchmal sein mögen – werden so für das Pferd leichter zu bewältigen.
- Die Bewegungen machen „Sinn“ für das Pferd, was ein wichtiger Faktor für Wohlbefinden und ein dem Menschen zugewandtes Verhalten ist. Die entstehende Gelassenheit des Pferdes ist deshalb für Reiter und am Boden ein absoluter Sicherheitsfaktor.
- Die mentale Gelassenheit plus die des Körpers, lässt das Pferd neue Bewegungen leichter annehmen
Der Prozess der „natürliche Aufrichtung“ und das sei noch einmal kurz erwähnt, bewirkt, dass alle natürlichen Prozesse im Körper auf die gleichmäßige Verteilung von Energie ausgerichtet sind. Im Vokabular des Reitens, bewirkt das eine vorwärts bewegende und wirkende Durchlässigkeit.
Um die „biomotorischen Übungen“ zusammenzufassen: das Pferd ist, was Bewegungen betrifft, ein Naturtalent. Deshalb bringt die Vielfalt an Bewegungsmöglichkeiten, durch die „Übungen“ auch völlig ungeahnte „Lösungsmöglichkeiten“ für Bewegungsprobleme und Bewegungsfehler hervor.
Die extreme Eingrenzung der Bewegungsmöglichkeiten des Pferdes dagegen, lässt nicht nur Bewegungsprobleme sogar oft erst entstehen – sondern lässt auch keine gute, verlässliche Verbindung zum Menschen zu, weil sich Pferd und Mensch in ihren körperlichen Themen nicht begreifen und austauschen – und schon gar nicht füreinander einspringen können.
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