Der unabhängige Reiter
Den wenigsten von uns ist es wirklich bewusst wie komplex, verflochten, umfassend und koordiniert Pferdebewegungen sein müssen, damit die Last unseres Körpers auf dem Pferderücken, nicht zu einer Belastung des ganzen Pferdekörpers wird. Genauso wenig ist allerdings bewusst, wie wichtig gute GEMEINSAME Bewegungen (auch unter dem Sattel) für die Gesundheit des Pferdes sind.
Kein Wunder also, dass man sich seit dem Beginn der Reiterei die dringliche Frage gestellt hat, wie man die Belastung des Reitens so reduzieren kann, damit das Pferd trotz dem Menschen auf seinem Rücken, die Vorteile des so lebensnotwendigen Prozesses der Bewegungsentwicklung genießen kann (sicherlich aus den verschiedensten Gründen heraus).
Dieser Tradition schließe ich mich in meinen Seminaren gerne an. Die überlieferte hohe Bedeutung des „geschickten“ Reiterkörpers, kann man heute noch in alten Reitlehren nachlesen. Ich folge damit dem uralten Erbe, das der Aus-bildung des Reiterkörpers wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenkte als der Bewegungsentwicklung des Pferdes, die lange Zeit nur von den richtigen Auslösern und Anreizen abhängt (siehe „biomotorische Übungen“) damit das Pferd eine spannungsfreie Aufrichtung entwickelt, die die nötige Tragkraft und Plastizität bringt, damit sich das Pferd gerade richten kann.
Die eigentlichen „Bewegungen“ muss man dem Pferd als ausgesprochenes Bewegungstier ja nicht beibringen, denn es hat seit seiner Entstehung von Millionen von Jahren auf perfekteste Weise gelernt, sich an die Natur anzupassen. NUN aber PASSEN WIR DAS PFERD AN UNSERE BEDÜRFNISSE AN. Dabei blenden wir gerne die GRUNDLAGE zur Pferdebewegung aus und beschäftigen uns mit Trainingsplänen, mit Schwerpunkten auf einzelne Körperteile, oder Muskelstärkungen.
Zusammen mit der These, dass wir uns nicht mehr so bewegen, wie noch vor 200 Jahren – und wir damit dem Pferd mit unserem unvorbereiteten Körper nicht mehr gerecht werden, plus dem Wissen, dass einstudierte Pferdebewegungen nie ein Ersatz für den Körperaustausch mit dem Menschen sind – ist DASS in seinen Zusammenhängen ZIEMLICH faszinierend (um diplomatisch zu sein)
Mein Plädoyer für natürliche Bewegungen
Meine Forschungsarbeit bestand also darin, wie wir unseren Ansatz vom einschränkenden Konzept der unkoordinierten und nicht feinmotorischen Reitbewegungen zu einer einfachen, wirkungs- und ausdrucksvollen Bewegungsweise verschieben können, die auch das Pferd versteht und es „abholt“.
Die natürlichen Bewegungen müssen dabei so einfach sein, dass sie selbst dem unfittesten Menschen auf sanfte, ja selbstverständliche Art zu seiner natürlichen Bewegungsweise zurückführen und zugleich die in uns angelegte Bewegungsfreiheit ohne viel Aufwand zurückgewinnen können. Das war meine Aufgabenstellung an mich. Weil aber der Mensch vom Beginn seiner Existenz darauf ausgerichtet ist, sich zu bewegen – war das nicht allzu schwierig.
Ganz klar, wir können unsere Bewegungsfähigkeit und unseren Körperausdruck nicht durch veränderte Alltagstätigkeiten und zugefüttertes Training erhalten. Genauso wie wir einen Mangel an Bewegung nicht durch ein Muskeltraining oder eine bemuskelten Rücken kompensieren können.
In den verschiedenen Seminaren „von Körper zu Körper“ lernen sie deshalb KEINE Sitzhaltung, KEINE raffinierten Reitbewegungen und KEINE Tricks für ihre Zügelhände oder ihre Beine. Sie werden WEDER in ihren Bewegungen korrigiert ODER verändert.
Sie lernen EINFACH – mit ihrem Körper feinmotorisch und koordiniert umzugehen.
Das Erfolgsgeheimnis ihres Reitens…
…ist ihr Körper. Sie werden Ihren Körper, ihre Bewegungen, ihren Ausdruck und Ihr Stressverhalten, ja ihr ganzes Reiten in einem anderen Licht sehen. Die hochkomplexen Reitbewegungen werden zu Bewegungen verdichtet, die ihr Pferd verstehen kann und spätestens ihre selbst gemachten Bewegungserfahrungen bei den selbsterklärenden „Placements“ zeigen Ihrem Körper mehr als deutlich und sehr angenehm spürbar, warum ihr Reitverhalten von so vielen unsichtbaren Bestandteilen ihres Körpers und ihres Bewegungsverhaltens abhängig ist.
Die durchlässige Hand
Reitbewegungen können nicht von „oben herab entwickelt werden – wie man am deutlichsten an der „Aufgabe“ der Zügelhände sieht, die ja vor allem ein Absinken der Halsbasis beim Pferd, das starre Genick und den festgehaltenen Kiefer des Pferdes verhindern sollen.
Reiten beginnt beim Menschen
Ein durchlässiger, unabhängiger und losgelassener Sitz mögen das Interesse jeden Reitausbilders wecken, klingen aber kryptisch für jeden, wenn der Körper gar nicht die Möglichkeiten zur Ausführung hat. DAS ist nun aber wirklich keine Überraschung- denn das Reitverhalten und damit das Bewegungsverhalten des Menschen, ist abhängig von den Bewegungen, die man während des Tages ausführt – im Alltag ausführt.
(Wie begeistert wird ihr Reitausbilder nach ihrem Besuch der „Reiterschulung“ sein, wenn er nicht mehr die automatisch ziehenden Zügelhände oder ihre hochgezogenen Beine und festen Rücken korrigieren muss, sondern endlich mit kadenzierten Bewegungen oder einer leichtfüßigen Piaffe beginnen kann – von ihrem Pferd mal ganz abgesehen)
Aber leider hält uns erst mal noch unser unstillbares Verlangen nach Bequemlichkeit davon ab, macht uns starr, unbeweglich und schwächt unseren Körper. Was äußerst ironisch ist, da in seinem Körperausdruck schwach zu sein, alles andere wie bequem ist – vor allem nicht für das Pferd – denn wir müssen laufend nach anderen Verständigungsmöglichkeiten (Techniken oder Mechaniken) suchen, damit uns das Pferd „versteht“ – oder zu mindestens das macht, was wir wollen.
Auch wenn wir unsere übrige Bewegungswelt so verändert haben, dass wir Bewegung anscheinend gar nicht mehr nötig haben – beim Reiten funktioniert das leider nicht (oder jedenfalls nicht lange) – da muss das Pferd unsere fehlenden Bewegungen übernehmen, ausgleichen, und uns kompensieren. Das wiederum verändert die Bewegungsfähigkeit des Pferdes und schädigt es auf Dauer.
Wie gut Sie sich in ihrem Körper fühlen und mit ihm umgehen können, entscheidet über das Reiten
Die Bewegungen des Menschen (und deshalb auch ihre Einschränkungen) sind immer ein Ausdruck des täglichen Stresses und der Reaktion des Körpers auf die Anreize der Umgebung. Ihr Atem zum Beispiel kann nur dann frei durch ihren Körper fließen, wenn Ihr Körper dem Atemfluss auch einen elastischen Raum geben kann. All das sind wiederum die Indizien Ihres Reitverhaltens.
Nach welchem Muster Reitprobleme und Bewegungseinschränkungen auftreten, hängt deshalb weder vom Zufall noch von Ihrem „Können“ ab – bilden aber andererseits das Fundament für die plastische Aufrichtung des Pferdes, die Tragfähigkeit, Geraderichtung und für die Entwicklung von gesunden Pferdebewegungen immer ZUSÄTZLICH mit der Last des Menschen auf dem Pferderücken.
Unser Körpersitz auf dem Pferd verrät uns wie gut wir uns in unserem Körper fühlen
Bewegungen bewegungsfähig ausführen zu können, um sich mit dem Pferdebewegungen so fein wie möglich abzustimmen, zeigt damals wie heute die Qualität des Reiters. So unterschiedlich Menschen- und Pferdebewegungen auch sein können, ist es doch das Ziel des Reiters, gemeinsam mit dem Pferd langfristige gesunde Bewegungsräume und -bedingungen zu gestalten und zu festigen.
Es verblüfft die Teilnehmer der „Reiterschulung“ deshalb regelmäßig, wie leicht „bessere“ feinmotorische Bewegungen zu bewerkstelligen sind. Ihr Körper kann die von mir entwickelten Übungen und die simulierte Bewegungsvielfalt der gelenkschonenden, unbelastenden „Placements“ freiwillig und gerne (weil sie in ihrer Einfachheit guttun) in die Alltagstätigkeiten integrieren.
Später – auf dem Pferd dann, zeigt sich wie schnell sich das Verhalten ihres Pferdes (auch das Bewegungsverhalten) durch ihre, teilweise winzigen Bewegungsveränderungen wandelt. Manche ihrer Reitbewegungen werden nach der „Reiterschulung“ weicher sein und manche nicht. Aber sie werden immer besser spüren, WANN sie ihr Pferd mit ihrem Körper belasten, um dann nach Möglichkeiten in ihrer zunehmenden Bewegungsvielfalt zu suchen, um das zu vermeiden.
Damit haben sie ihren persönlichen „Code“ für Ihren Reitersitz. Ihr Pferd wird aufmerksamer auf Sie, aufnahme- und „lernbereit“ wie in der Natur und neugierig darauf, mehr von Ihnen über seinen Körper und seine Möglichkeiten kennenzulernen, um endlich die eigenen Potenziale zu entfalten.
Das ist die Kunst, sich mit seinem Pferd zu verständigen – und für mich ist das „Reitkunst“ in ihrer schönsten Form.