Wie wichtig und grundlegend ein fein regulierter Atemfluss für ein „Leistungspferd“ – aber genauso für ein Pferd, dass man „nur reiten“ möchte ist, ist glaube ich absolut unstrittig. Aber die so weit verbreiteten Atemprobleme des Pferdes und ihre Folgen im Körper entstehen ja nicht zufällig. Sie haben eine Ursache. Die Folgeerscheinungen, die wir sehen – die also für uns sichtbar werden, sind aber nur die Spitze des Eisberges. Und auch wenn wir die Spitzen immer wieder brav begradigen, der Eisberg bleibt als Ursache bestehen.
Die Atemprobleme des Pferdes entstehen in seinem Maul
Es ist tatsächlich das Zusammenwirken des Pferdekörpers das „nicht stimmt“. Die Nervensysteme sind aus dem Gleichgewicht geraten – und am ehesten sehen wir das am fragilen und sehr verletzlichen Atemsystem des Pferdes. Wobei so verletzlich ist die Atmung des Pferdes eigentlich gar nicht. Denn ein wildlebendes Pferd hat eine sehr große Kiefernhöhle und die Atemwege sind geräumig genug, als dass sie etwas verstopfen könnten. Diese Pferde können frei atmen.
Seltsamerweise und auch traurigerweise sind es dieselben Vorgänge, die das Pferd mit dem Menschen verbindet, die auch seine Atmung einschränken. Denn alles was der Mensch mit dem Pferd macht – geschieht am Pferdekopf. Den das Pferd ja eigentlich für seine Atmung braucht. Dass also Maul und Kiefer des Pferdes zusammengedrückt werden und dem Pferd das Atmen erschweren, bringt nicht nur seine freien Atemwege in ersthafte Gefahr – dadurch entsteht der Eisberg. Von dem wir – sie erinnern sich – immer wieder brav die Spitze abtragen.
Die freien Atemwege sind die unbestrittene Nr. 1 im „biomotorischen Training“
Die freien Atemwege bestimmen also den Umgang mit dem Maul des Pferdes. Gerade zu Beginn der ersten Entwicklungsphase ist es deshalb oft lange Zeit ein Befreien, Aktivieren und Erweitern der Atemgänge, bis es überhaupt zu einem verbindenden Umgehen mit dem Pferdemaul kommen kann. Denn von ungefilterter, unbefeuchteter und ungewärmter Luft, die durch viel zu enge deformierte Kiefer durch muss, die die Zunge austrocket und das Zungenbein stilllegt – die die oberen Atemwege reizt und die Lungen verärgert, braucht man keine großen Bewegungen erwarten. Das Pferd muss bevor es Bewegungen lernt, lernen selbst seine Luft zu regulieren.
Ohne diese Eigenregulation hat das Pferd – und zwar mit jeder Spannung und Festigkeit im Maul – seine grundlegendsten und wichtigsten biologischen Funktionen verloren. Und anders als der Reiter gern glauben möchte, bekämpft man mit Kieferzusammenhaltenden Riemen, Kappzäumen, Knotenhalftern und Zungentätigkeitsbegrenzenden Gebissen den (berechtigten) Widerstand des Pferdes im Pferdemaul – aber eben auch die biologischen Funktionen im Pferdekörper. Es ist ein biologischer und neuromuskulärer K.O. Schlag mit weitreichenden Folgen.
Um die aus dieser „Behandlung“ oft deformierten Mund- und Nasenhöhlen und vor allem die erstarrte Zungen-Zungenbeinmechanik wieder zu aktivieren, müssen sie a) erstmal von jeder Belastung frei gelegt werden und b) es müssen diese Bewegungsrelevanten Körperteile des Pferdes wieder in ihre angeborene Funktion geführt werden. Dabei hilft uns (und vor allem dem Pferd) das „biomotorische Gebiss“ als Unterstützung – aber vor allem ein anderer Umgang unserer Hand mit diesem hochempfindlichen und äußerst verletzlichen – aber grundlegend, wichtigen Kiefer/Zungenbein/Genick-Komplex.
Schon die alten Chinesen wussten es…
Durch das Maul eingeatmete Luft heißt ni chi – unguter Atem und ist äußerst schädlich. Denn das Blut bringt nicht mehr ausreichend Sauerstoff in das Körpergewebe. In der Folge entsteht eine Unterversorgung. Aber das ist noch nicht alles – denn die erzwungene Maulatmung verformt die Atemwege – und zwar sehr schnell. Es ist ein abwärtsgerichtetes Wachstum, bei dem der Kiefer schlaff wird und der Blick des Pferdes trübe.
Die erzwungene Maulatmung
Die erzwungene Maulatmung (das Pferd ist ein 100%iger Nasenatmer) verändert den Pferdekörper physisch sehr dramatisch und das wirkt sich negativ auf die Atemwege aus und natürlich auf die Qualität seiner Bewegungen. Die durch das Maul eingeatmete Luft hat weniger Druck, wodurch die Strukturen im Kieferraum erschlaffen, die das Pferd zu seiner Zungenbewegung braucht (die Strukturen im Kieferngrund müssen die Zunge bis zu 3000mal in der Stunde heben!) Das alles erschwert die natürliche Atmung der oberen Atemwege und den für die Körperatmung (z.B. Zwerchfell) benötigten Körperdruck. Maulatmung führt also automatisch zu noch mehr und noch angestrengterer Maulatmung.
Was immer aber in der Nase des Pferdes geschieht, wirkt sich auf Maul, Zunge, Zungenbein, Kiefer, Kiefergelenke, Genick, große Atemwege, Wirbel, Gelenke und Gliedmaßen aus. So wie das Pferd mit seiner Nase „umgehen“ kann, so werden auch seine Bewegungen sein. Ist die Nase zugehalten und damit von innen „verstopft“, muss das Pferd Atem durch das Maul aufnehmen (was eigentlich gar nicht geht) und die Atemwege kollabieren.
Die Schwerkraft zieht den schweren Schädel nach unten, die weichen Gewebe im Kiefer, in der Zunge und im Nacken des Pferdes haben nichts entgegenzusetzen und verschließen die Atemwege durch den tiefen gehaltenen Kopf noch weiter. Irgendwann ist das Pferd in der tiefen Stellung seines Kopfes konditioniert und Atemnotstand wird zum Dauerzustand.
Dieses Verständnis für die Atmung des Pferdes ist nicht Biomotorik, sondern Physik.
Warum das Pferd vom Menschen dann aber bewusst in eine tiefe Kopfstellung und damit in einen chronischen Atemnotstand geführt wird, kann ich Ihnen nicht beantworten. Genauso wenig, welchen Zweck es hat, das Pferd in dieser Form zu fixieren. Denn diese wenigen Muskelfasern, die den ganzen schweren Kopf und die gesamte Vorderpartie des Pferdes unter große Anstrengung „halten“ müssen, verweigern irgendwann ihren Dienst – und dann?
Die Nasenatmung des Pferdes
Die natürliche Nasenatmung dagegen wirkt genau umgekehrt. Sie führt den Luftstrom in die weichen Gewebe des Rachens, erweitert die oberen Atemwege dabei und macht dem Pferd das Atmen leichter. Genau das unterstützt jede Übung des „biomotorischen Trainings“. Nach einer Weile sind diese Gewebe darauf „trainiert“ in der durchlässigen, erweiterten Elastizität zu bleiben. Die unterstützte Nasenatmung des Pferdes führt also zu immer noch mehr und zu tieferer Nasenatmung.
Im nächsten Artikel beschreibe ich, wie sehr das biomotorische Gebiss den Menschen bei der Befreiung der Atemwege unterstützt – aber warum das „biomotorische Gebiss“ nur ein Befreiungshilfsmittel ist – es in Wahrheit aber auf die Handlung ihrer Hand – die Handlings ankommt.
dabei das Öffnen des Pferdemaules – dass das Pferd aber zwangsweise TUN MUSS, weil seine Atemwege durch die Nase nicht verfügbar sind. Man bekämpft also einen natürlichen und absolut wichtigen Funktionsvorgang des Pferdes, was man anders lösen muss