Ich habe ja an vielen anderen Stellen schon sehr ausführlich über die „biomotorischen Bewegungen“ gesprochen. Trotzdem bleibt es für manche absolut unverständlich, warum und wie, so kleine Bewegungsveränderungen so viel bewirken können sollen.
Dass sich das Pferd auf verschiedene Weisen bewegen kann, ist kein großes Geheimnis. Aber wenn wir die Bewegungen des Pferdes mal in Flucht und Streben unterscheiden, bekommen sie plötzlich einen völlig anderen „Sinn“. Und genau diese „Ziele“ im Kopf des Pferdes lösen ebenfalls völlig unterschiedliche Wirk-Mechanismen im Organismus aus.
Zugegebenermaßen liegen beide Bewegungsformen sehr nah beieinander. Beim flüchtigen Hinschauen könnte ihre Ausführung fast gleich aussehen. Erst der „Sinn“ einer Bewegung gibt der Pferdebewegung ihre Struktur – und formt letztendlich den Pferdekörper. Auf ihre Weise. Für die „Flucht“ oder für das „Streben“.
Die „Flucht“
In der Bewegungsform der „Flucht“ bewegt sich das Pferd vor ETWAS WEG. Es „flieht“ vor etwas, oder wegen etwas – wegen seiner Angst, seinem Stress oder vor einem Gespenst, dass das man nicht fassen kann. Wahrscheinlich wird es eine ewig misslingende Flucht sein. Zu sehen ist diese Bewegungsform deutlich in den Strukturen des Körpers. Denn da manifestiert sich die ständige „Fluchtbereitschaft“.
Das „Streben“
In der Bewegungsform des „Strebens“ bewegt sich das Pferd AUF ETWAS ZU. Vielleicht auf die saftigen Grashalme, die am anderen Ende der Weide sind, oder um einen Menschen zu begrüßen oder einen anderen Artgenossen – oder eben die Dauervariante des „Strebens“ – das Spiel. (Warum sonst laufen erwachsene Männer für eine sehr lange Zeit einem Ball hinterher – übrigens formt auch dass den Körper auf eine ganz spezielle Weise.
Die Bewegungsform des „Strebens“ mag ein zielloses Streben nach einem Traum sein – aber sie formt den Pferdekörper auf eine unvergleichliche Weise – denn der Fokus der Aufmerksamkeit liegt auf der Bewegung selbst (anders als bei der Flucht– da liegt der Fokus auf der Angst, dem Stress, dem Entkommen). Der „Sinn“ der Bewegungsform des Strebens liegt im Prozess (wie bei einem Film, bei dem man auch nicht nur das Ende oder eine Sequenz schauen will).
Die Biomotorischen Bewegungen haben sich die Bewegungsform des „Strebens“ zu eigen gemacht. Das Pferd wird von uns angehalten – damit es sich wieder bewegen kann. Es geht Galopp – damit es Schritt gehen kann. Und geht Schritt – damit es anhalten kann. Es geht langsam – damit es voller Dynamik davonpreschen kann, um nur auf einen kleinen Vorschlag von uns – aus voller Bewegung zum Halten zu kommen. Es ist das ewige Spiel des Körpers – oder besser gesagt, der Körper!
Denn das Pferd spielt mit uns, und wir spielen mit dem Pferd. Und alle seine 520 Muskeln einschließlich Organismus spielen mit – dass ist BIOMOTORIK. Besser gesagt, dass ist eine Variante der „biomotorischen Bewegungen“ die den Körper des Pferdes für uns entstehen lassen.
Der Körper wählt bei den unterschiedlichen Bewegungsformen völlig unterschiedliche Körperhaltungen. Die eine Körperhaltung (die der „Flucht“) bleibt ewig getrieben – deshalb sollten wir vorsichtig sein „die Flucht“ zum Grundprinzip der Pferdebewegung zu machen. Es ist heikel, seine Bewegungen auf „der Flucht“ und ewig getrieben zu verbringen – denn die „Erlösung“ von Ängsten und Stress will sich einfach nicht einstellen. Vor allem deshalb, weil der Pferdekörper – bevor er irgendein verheißungsvolles Ziel „getrieben“ erreichen konnte – kaputt ist.
Bei der Bewegungsform des „Strebens“ wird der Pferdekörper dagegen immer plastischer. Der Körper verleiht den Bewegungen immer mehr Struktur, immer mehr Tiefe, immer mehr Bereitschaft, Verfügbarkeit, Bewegungsfähigkeit – so entsteht die Kadenz des Pferdes.
Beobachten Sie doch mal ihr Pferd – „strebt“ es oder „flüchtet“ es?
Machen Sie was draus…