„Die Biomotorik“
„Die biologische Methode“ hat sich durch die „Biomotorik“ mittlerweile zu einem umfassenden Ausbildungskonzept für das Pferd und sein Reiten entwickelt, das nur deshalb so gut funktioniert, weil das Pferd und sein Mensch ihre Bewegungen miteinander gestalten. Während der biomotorischen „Körper-Bildung“ lernt das Pferd mit seinem Körper, mit seinen Bewegungen und mit der zukünftigen Belastung auf seinem Rücken umzugehen, es lernt Verhaltensweisen zu zeigen, die den Erwartungen des Menschen entsprechen und trotzdem nicht gegen seinen Körper gehen. Kurz gesagt, das Pferd lernt mit dem Menschen umzugehen, ohne seinem Körper zu schaden.
Bei dem gemeinsamen Körperspiel, zu dem der Mensch das Pferd mit dem uralten genetischen Bewegungsverhalten des Pferdes hin- und anleitet, und dabei die Sicherheit einer ganzen Pferdeherde simuliert, bildet sich das Pferd als Persönlichkeit heraus, das sich über seinen Körper und seine Bewegungen definiert und aus den eigenen Bedürfnissen heraus – aus den eigenen, inneren und körperlichen Motiven, mit der Welt und vor allem mit dem Menschen umgehen kann.
Durch den biologischen „Rahmen“, den die „biomotorischen Übungen“ bieten und mit Hilfe der eigenen Biomotorik des Pferdes, wird das Pferd auf gemeinsame Bewegungen vorbereitet, und gleichzeitig auf die Weiterentwicklung und Erweiterung seiner Bewegungen auch mit Last. Bis hin zu seinen kadenzierten Bewegungen, die das Pferd dann sogar mit dem Menschen auf seinem Rücken zeigen kann. Soweit entwickelt, muss es nicht mehr vom Menschen unterstützt werden, weil sich der Pferdekörper optimal in seinem Zusammenwirken ausgeprägt hat, und sich das Pferd in dieser verfügbaren Plastizität seines Körpers frei mit dem Menschen auf ihm austauschen kann.
Doch wie gelingt eine umfassende „Körper-Bildung“ des Pferdes, die als Ziel nicht künstlich „andressierte“, sondern natürlich, kadenzierte Bewegungen hat – also das optimale Zusammenwirken aller Strukturen des Pferdes – der „Schönschrift“ der Pferdebewegungen?
Als erstes:
Wir müssen das Pferd, zu einem „bewegungsfähigen“ Pferd unterstützend begleiten – nicht zu einem Pferd, dass Bewegungen ausführt. Wir können die Lebendigkeit des Pferdes nicht aufschieben, bis wir es „erzogen“ haben. Die jetzt herrschenden Ausbildungssysteme, sind nicht gerecht dem Pferd gegenüber und auch nicht dem Pferdekörper in seinen Funktionen. Ein Pferd in unserer Obhut muss einfach anders behandelt werden.
Als zweites: wir müssen das Pferd als Persönlichkeit ernst nehmen, d. h aber auch die körperlichen Bedürfnisse des Pferdes aufnehmen und annehmen. Eine körperliche Ausbildung, die die organischen Funktionen und das Nervensystem miteinbezieht, muss deshalb unbedingt ein Gelenktraining sein und nicht ein Muskeltraining – das den Pferdekörper bis zur Unbeweglichkeit verzerren würden.
Als Drittes: wir brauchen zu den biologischen Bewegungen des Pferdes den „Schatz des Vertrauens“. Denn nur das Vertrauen zueinander und die für beide fassbare Sicherheit und Klarheit, die daraus entsteht, führt Mensch und Pferd zusammen. (Ganz wichtig bei „Verhaltensauffälligen“ Pferden und auch bei Hengsten).
Obwohl die „Biomotorik“ eine sehr genaue Vorstellung darüber hat, wie sich das Pferd bewegen muss (in biologischen Bewegungen – d.h. in seiner „biologischen Dreiheit“ die die angeborene Körpermechanik, den frei fließenden Atem, und das eigene Körpergefühl des Pferdes, als das Maß aller Dinge sieht) muss alles viel organischer, viel Körperfokussierter, viel Pferdefreundlicher und viel großzügiger und spielerischer sein als es im Moment angeboten und publiziert wird.
Wir dürfen nicht (und dafür setzt sich „die Biomotorik“ ein):
- In die funktionellen und strukturellen Abläufe des Pferdekörpers eingreifen.
- Das Pferd als reines Reitobjekt ansehen, das in einer Ausbildungsmaschinerie nach einer bestimmten Schablone geformt wird.
- Die Entwicklungsphasen missachten, die den langangelegten Körperprozess (von Geburt bis zum Tod) begleiten.
- Das Pferd als Lebewesen, als Persönlichkeit und in seinen Emotionen nicht wahrnehmen.
Dazu stelle ich einige Frage in den Raum?
Warum beschleunigen wir die Körperausbildung des Pferdes so? Warum lassen wir uns keine Zeit für die körperliche Weiterentwicklung, die sonst ja das ganze Leben des Pferdes prozessorientiert durchläuft? Warum muss das Pferd innerhalb von wenigen Monaten fertig sein? Ja, warum bloß? Vielleicht um früher mit der „Ausbildung“ fertig zu werden? Um das Pferd schnell einsetzen und reiten zu können? Ist es das wirklich wert?
Nie war das Pferd hilfloser als in der heutigen Zeit!
In der Vergangenheit MUSSTE das Pferd wegen „Gründen“ des Menschen gehorsam und abhängig sein. Der Mensch legte fest, wie sich das Pferd zu bewegen hat. Und zwar ohne Wenn und Aber. Das war so! Heute könnte es anders aussehen. Trotzdem wurde es besonders schlimm, als die Gehorsamkeit des Pferdes durch mechanische Instrumente (Gebisse, Zaumzeuge, Sättel, Hilfszügel) „beschleunigt“ wurde. Sobald das angefangen hat, konnte man richtig Gas geben, weil diese Gerätschaften jedem an die Hand gegeben wurden und bis jetzt für jeden verfügbar sind.
Die körperlichen Themen des Pferdes in ihrem Verlauf sehen
Wenn es uns nicht gelingt, das Pferd so zu unterstützen, dass es beim Heranwachsen lernt, mit der ständig komplizierter und komplexer werdenden Welt des Menschen umzugehen, dann weiß ich nicht, welche Zukunft das Pferd erwartet, das von einer Stoffwechselschädigung in die nächste Arthrose bewegt wird (beides völlig untypisch für Bewegungslebewesen Pferd). Das Pferd ist in seiner natürlichen Ausprägung einfach nicht geübt darin, den steilen Weg der künstlichen, menschlichen Erwartungen zu gehen. Dabei ist es so einfach, die natürlichen Kräfte des Pferdes zu aktivieren, damit es an den „Herausforderungen“ des Menschen nicht scheitert und aggressiv, depressiv oder bewegungsunfähig wird.
Wir können nicht so weitermachen wie bisher
Bis heute werden die Bewegungen des Pferdes „vermieden“ und unterdrückt. Man sucht nach Wegen um Druck – teilweise sogar sehr starken psychischen Druck auszuüben. Besonders tragisch für den Pferdekörper und seine organischen Funktionen – denn bei dem weit verbreiteten sogenannten „Vermeidungsverhalten“ wird automatisch die freie Atmung des Pferdes unterbunden. Wie soll ein Pferd aber Bewegungserfahrungen machen, für die es eine durchlässige Atmung braucht, wenn es gar keine eigenen Bewegungserfahrungen machen darf? SEINE Bewegungen muss das Pferd selbst erfahren und nicht vom Menschen antrainiert werden.
Freude am Austausch I
Nur selten werden vom Menschen derart viele psychologische Tricks eingesetzt, wie beim Reiten – und nur damit der Mensch dabei „gut“ aussieht. Der Mensch beäugt das Pferd nach Schwachstellen, versucht Einfluss zu nehmen und um Fehler in der „Rittigkeit“ frühzeitig zu erkennen. So versucht der Mensch das Pferd mit unendlich vielen Informationen zu überschütten (Kappzaum, Knotenhalfter, Gebisse, Zaumzeuge etc.) damit das Pferd mit dem Mensch „beschäftigt“ ist, sich nicht auf seinen Körper konzentrieren kann und sich nicht reflektorisch bewegt – sondern „brav und gehorsam“.
„Wenn das Pferd ständig seine natürlichen Impulse unterdrücken muss, wird es sich selbst fremd“.
Das Pferd verliert SEINE Bewegungen, SEIN Körpergefühl, SEINE Sicherheit, SEINE angeborene Körpermechanik und damit die Fähigkeit UND Verfügbarkeit, frei zu atmen. Dabei ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Kontrollverlust über seinen eigenen Körper das Pferd unsicher und ängstlich macht, und ihm zugleich die Neugierde nimmt, den eigenen Körper in seiner Bewegungsvielfalt und in neuen Bewegungen zu entdecken. Wir aber müssen dem Pferd helfen seine Dynamik im Körper zu erhalten, damit es auch Bewegungen in Verbindung mit uns frei ausführen kann – und sie nicht kanalisieren und auf einige wenige beschränken, wie im „muskulären System“.
Auch ganz wichtig: wir haben es zu Beginn der „biomotorischen Übungen“ in den allermeisten Fällen mit Pferden zu tun, die die Kontrolle über ihren eigenen Körper verloren haben – mit nichts am Pferdekopf ist das fast unmöglich, die das Pferd wieder finden zu lassen. ABER – jedes Teil im Pferdegesicht darf nur dazu da sein, Strukturen zu aktivieren (das biomotorische Gebiss) oder um überbelastete Teil bewusst zu entlasten (die Genickentlastung).
Mit der Biomotorik geradewegs in die Kadenz des Pferdes
Der große Unterschied der Biomotorik ist, dass dem Pferdekörper (und dem Menschenkörper) keine Bewegungen, Bewegungsmuster oder Haltungen abgezwungen und abgerungen werden, sondern dass dem Pferdekörper für seine reflektorischen Bewegungen ein Spielraum verschafft wird, indem er verfügbar wird. Auch für die Psyche des Pferdes, die wir als sein Verhalten wahrnehmen, hat das eine wichtige Bedeutung (und wird besonders im Verhalten eines Hengstes sichtbar) – das dann gerne und „freiwillig“, die für ihn befriedigende Zusammenarbeit mit dem Menschen sucht)
Aus dieser Sicht gesehen hat alles was wir beim Pferd und mit dem Pferd „erreichen“ wollen, mit dem Vermögen zu tun, wie viel (Quantität) Luft das Pferd aufnehmen kann, aber genauso mit der Verfügbarkeit des Körpers, wie es den eingeatmeten Sauerstoff im Körper „verteilen“ kann. Und da ohne „Luft“ und ohne den angemessenen Platz und Raum zwischen Gelenken und Wirbeln buchstäblich „nichts geht“, ist alles im „biomotorischen Training“ – von den ersten Stufen der „ersten Entwicklungsphase“ ab, darauf abgestimmt, dass das Pferd ein Gefühl für seinen Körper bekommt.
Am Anfang begegnet uns der nicht verfügbare Pferdekörper
So begegnet uns zu Beginn der Biomotorik, dass, was der Pferdekörper nicht kann. Der Ratschlag des „muskulären Systems“ wäre bestimmt, dem Pferd aufwendig das beizubringen, was es nicht kann, die Muskeln zu formen, und dazu zu bringen, dass sie angewöhnte Bewegungsmuster bilden, die dann das erwartete ausführen – alles in der irrigen Meinung, dass alles was der Körper aus vielerlei Gründen selbst nicht erfahren konnte, nun vom Menschen „auftrainiert“ werden muss.
„Ein Pferd macht immer alles, was es kann – was es nicht macht, kann es nicht“
Diesen Satz möchte ich Ihnen an das Herz legen – vor allem, wenn Sie sich wieder mal fragen, warum das Pferd so reagiert oder sich vielleicht verweigert. Das Verhalten des Pferdes ist IMMER ein Spiegel seiner körperlichen Möglichkeiten, denn es definiert sich über seinen Körper. Es ist unsere Aufgabe, als „Ausbilder“ unserer Pferde, ihm die Möglichkeiten seines Körpers zur Verfügung zu stellen, die es braucht, um eine gewünschte Bewegung (z.B. einen Seitengang) auszuführen. Und NICHT den Seitengang in das Pferd hineinklopfen oder irgendeinen anderen Quatsch mit ihm zu trainieren, von dem das Pferd nichts hat.
Neu denken
Diesen Gedanken müssen wir als Reiter wohl neu denken. Denn nicht aus künstlich erlernten Bewegungen entsteht ein Pferdekörper, der dann VIELLEICHT in eine „Irgendwie-Atmung“ findet, – sondern NUR aus der für den jeweiligen Pferdekörper optimal, passenden Nasen/Zwerchfellatmung entstehen Bewegungen, deren Schönheit, Leichtigkeit und Kadenz uns wiederum den Atem rauben (Achtung Wortspiel).
Die Freude am Austausch II
Das Pferd passt sich deshalb aus vielerlei genetischen Gründen geradezu perfekt an uns an. Der Traum des geschmeidigen Miteinanders endet aber abrupt, wenn man sich die immer bewegungsunfähigeren Menschenkörper betrachtet, die zwar eine Menge Sit-up gestählter Muskeln bieten können, aber selber kaum noch eine durchlässige Nase/Zwerchfellatmung haben. Aber auch darin begleitet Sie die Biomotorik“ mit den „Placements“ – einer „Platzierung“ ihres Körpers + Nasenatmung, den das Pferd versteht und ihm gerne folgen kann. (Ganz wichtig als sitzender Reiter)
Mit dem „Ziel“ der Biomotorik fängt das „biomotorische“ Reiten erst richtig an
Die ganz klare Zielvorstellung der Biomotorik ist die Kadenz des Pferdes, das unangestrengte Bewegen eines Pferdekörpers, der in seinen Bewegungen aufgeht, sich an sich selber aufrichtet und voller innerer (organischer) Lebendigkeit für alles bereit ist und bereitsteht. Aber da hört die Biomotorik noch lange nicht auf – im Gegenteil – denn da beginnt ein Reiten, dass Pferd und Mensch verbindet, es wird ein Tanz ohne zu denken, ohne zu müssen – ganz einfach weil man kann…