Plädoyer für die Reiterhand

Manche Reiterhände haben das gewisse Etwas. Sie können ohne übertriebene Wichtigkeit dem Pferd sagen: „hier bin ich. Am Ende des Zügels bist du. Vergiss alles andere“.

Reiterhände geben dem Pferd durch ihre feine Kommunikation Orientierung. Sie lösen zusammenwirkende Bewegungen und positive Emotionen beim Pferd aus und stärken das Vertrauen, weil sie dem Pferd „vertraut“ und wie ein Fels in der Brandung sind, an denen das Pferd stolz und selbstbewusst schreiten kann.

Es sind unsere Hände, mit denen wir die Persönlichkeit des Pferdes aufbauen können, weil sie ihm „Sinn“ geben. Sie transportieren lebendige Bewegung und machen diese für das Pferd erfahrbar, weil sie zugleich Ausrichtung und Halt für das Pferd sind. Sie bauen dem Pferd einen Sicherheitsraum auf – und öffnen die Türen für das Pferd zu seinen inneren, den organischen Räumen seines Körpers und damit gleichzeitig zu großer Bewegungstiefe des ganzen Bewegungsapparates.

Was macht aber unsere Hände für das Pferd so besonders?

Unsere Reiterhände sind unser Versprechen an das Pferd. Sie verführen, weil sie das Gefühl geben, ein ganz besonderes Pferd zu sein. Andererseits sichern sie dem Pferd durch den ständigen Dialog die Entwicklung seiner Bewegungen zu und signalisieren gleichzeitig den aktuellen Stand unseres Körperzustandes und Bewegungsfähigkeit – auf den sich das Pferd ja einlassen muss.

Mehr als jede verbale Versicherung, geben unsere Hände dem Pferd das lebenswichtige Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, denn sie entlasten den Pferdekörper von seiner Anspannung und seinen Gewohnheiten und entwickeln das natürliche Bewegungsverhalten in seiner aufgerichteten Form. Je weniger die Hände das Pferd beeinflussen, es aber gleichzeitig in SEINEN Bewegungen unterstützen können – und vor allem es davor bewahren können, unter unserer Last zusammenzusacken, desto bedeutsamer werden die Zügelhände für die Bewegungsentwicklung des Pferdes.

Da das Leben des Pferdes heute von vielen Unsicherheiten geprägt ist, weiß das Pferd die Abstimmung mit der Menschenhand sehr zu schätzen, die ihm die so wichtige Orientierung und Sicherheit gibt. Unglücklicherweise ist es für den Menschen viel leichter, sich eine fehlerhafte Ausführung und Handlung der Hand anzueignen, statt einer guten, verbindenden, feinmotorischen…

So verzichtet der Mensch auf seine „Handgespräche“ und auf die feine Wirksamkeit der „Statements“, die so Großes bewirken können, weil sie das Pferd nicht nur funktionell, sondern auch emotional ansprechen und unterbinden lieber die funktionelle Motorik des Pferdekopfes und verstärken die Macht ihrer mechanisch wirkenden Hände. Viele Reiter trauen ihren eigenen Händen keine Feinheit mehr zu und versuchen, sich durch Druck auf die empfindliche Gesichtsmuskulatur des Pferdes „Gehör“ und damit eine Verbindung zum hochsensiblen Lebewesen Pferd zu verschaffen.

Wenn wir also vom Gebiss oder „Nicht-Gebiss“ reden, müssen wir zuerst die Feinarbeit unserer Hände in Betracht ziehen, denn unsere Reiterhände transportieren buchstäblich alles ins Pferdemaul – und ein Gebiss verstärkt es. So oder so. Die zerstörende, mechanische festgehaltene Wirkung – genauso wie das feine Gespräch unserer Hände.

So schrieb bereits Guérinière, dass es unser Körper ist, der uns die Natur, die Anlagen und die Fähigkeiten des Pferdes entdecken und verstehen lässt, und uns ermöglicht, die Ausstrahlung zu entfalten, die vorher gewissermaßen in der Steifheit der Gliedmaßen des Pferdes wie begraben liegt.

Was aber, wenn unsere Hände genauso steif sind, wie die Gliedmaßen des Pferdes?

Es ist ja so völlig aus der Mode gekommen, seine Reiterhand – bzw. den Reiterkörper in seiner Bewegungsfähigkeit zu schulen. Der Mensch kann mit seinen Händen nur noch auf festgehaltene Weise umgehen und vertraut Gebissen und „Nicht-Gebissen“, Druckpunkten und Effekten, die der empfindlichen Gesichtsmuskulatur und den Atemwegen des Pferdes zugefügt werden, mehr zu wie den eigenen Händen. Und dass, obwohl wir doch sehen, wieviel Unheil starre, festgehaltene Reiterhände und unbewegliche, nach vorne gekippte Reiterschultern dem Pferd bringen können.

Vielen Reitern ist aber doch die Bedeutsamkeit ihrer Hände für das Pferd sehr bewusst und genau deshalb fragen sie sich: Wie ist der Weg hin zu lebendigen „Handgesprächen“? Welche körperlichen Faktoren beeinflussen meine Reiterhand? Und wie gelingt es, dass mein Pferd nicht mehr auf den feinen Dialog mit meiner Reiterhand verzichten möchte?

Auf jeden Fall sieht man dem Pferd an – sogar sehr deutlich – wenn die Hände des Reiters ihre Aufgaben NICHT erfüllen, denn durch die vielen unbewussten Prozesse im Pferdekopf, die die mechanische Hand auslöst, kann sich das Halsgeflecht des Pferdes NICHT aufbauen.

Das Halsgeflecht des Pferdes ist der Indikator unserer Hand

Strukturen, die sich aufbauen wollen und sollen, brauchen einen guten „Nährboden“. Auch beim Pferdekörper. Und keine mechanisch erzeugten Spannungen. Der Aufbau des Halsgeflechtes ist das nach außen sichtbare Zeichen dafür, dass der Pferdekörper durch die Unterstützung der Reiterhände die zum Reiten nötige Plastizität entwickeln konnte, die er braucht, um die funktionell richtigen Bewegungen in seinem Körper zu bewahren und um den Bewegungsapparates des Pferdes nicht zu belasten und zu schädigen.

Unsere lebendigen „Handgespräche“ verhindern, dass das Pferd nach vorne fällt

Das aufgebaute Halsgeflecht sichert dem Pferd seine Geraderichtung und seine zusammenwirkende Aufrichtung zu. Das Pferd muss nicht mehr mechanisch aufgerichtet werden und auch der Hals fällt nicht mehr kraftlos nach vorne und beeinträchtigt die Atmung.

Ein Pferd, dass durch sein aufgebautes Halsgeflecht seinen Kopf mit allen Sinnen nutzen kann, „trainiert“ nicht nur seine „Beinwerkzeuge“ optimal, sie bauen gleichzeitig über die „großen Gelenke“ seine tragkräftige, durchlässige Wirbelkette auf, über der der freitragende Pferdekopf thront und damit in der Halswirbelkette alle Freiheitsgrade der Bewegung ausspielen kann.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Entwicklung ihrer feinmotorischen „Reiterhände“, die relativ rasch ein Gefühl für die Balance des Pferderückens entwickeln werden und die Stellen gewohnheitsmäßiger Belastung lokalisieren können. Wenn sich zwischen Ihrer „Hand“ und dem Pferdemaul dann eine starke Verbundenheit entwickelt, ist ihnen der Erfolg beim Reiten sicher.

Und wenn sie noch ein paar „Entwicklungsideen“ für ihre „Handgespräche“ brauchen, dann besuchen Sie mich doch in den eigens dafür entwickelten „Reiterschulungen“ oder dem Sonderseminar, den „Handgesprächen“. Sie bekommen eine Menge von Anleitungen, wie Sie die Entwicklung ihrer „Reiterhände“ vorantreiben können, die die unangefochtene Grundlage zum Reiten sind, weil die „Handgespräche“ des Menschen das Pferd auf seiner körperlichen Ebene erreichen

Übrigens: Ich persönlich bin nicht für oder gegen ein Gebiss und beteilige mich an einer Diskussion nur dann, wenn es um die differenzierten Auswirkungen auf den Organismus geht, die das Pferd zu einer linearen Mechanik zwingen und deshalb im Widerspruch zur Natur des Pferdes stehen. Die Ansicht, dass die Nachgiebigkeit der Halsmuskulatur mit allen Mitteln erreicht werden muss, weil an ihr der Grad der „Anlehnung“ gemessen wird, widerspricht allen anatomischen Gesetzen.

Ich finde, Ideologie ist hier fehl am Platz. Denn eigentlich sollte sich ja nur die Frage stellen, wie der Dialog zwischen Reiterhand und Pferdemaul am „sinnvollsten“ aufrechterhalten werden kann.

So bin ich zu 100% FÜR das „Handgespräch“ der Reiterhand – und deshalb auch das Plädoyer für sie… Eine andere Sichtweise eben.

Übersicht:

09. Dezember Sonderseminar „Handgespräche“ bei Graz (St. Peter)

13. 01. – 14. 01. 24 Reiterschulung in Kiel

27. 01. – 28. 01. 24 Reiterschulung in Ilsfeld bei Heilbronn

17. 02. Evtl. Sonderseminar „Handgespräche“ in Celle

09. 03. – 10. 03. 24 Reiterschulung bei Köln

13. 04. – 14. 04. 24 evtl. in Salzburg

weitere sind bereits in Planung…

Infos und Anmeldung unter: biomotorik@gmx.de