Unsere Hüftgelenke – die Verbindung zum Pferd

Der Reiter und seine Wirkung

Ein gutes Reiten hängt nicht von den ausgeführten Reit-Lektionen ab, sondern welche Möglichkeiten unser Körper hat, sich mit dem Pferdekörper zu verbinden. In der Pferdeausbildung ist es deshalb – übrigens genauso wie beim Reiten – gut zu differenzieren, also sich immer wieder zu fragen was dem Pferd guttut und was es schädigen oder stören könnte (der Vorteil des Differenzierens liegt auf der Hand, denn man muss sich eingehend mit einer Handlung oder Ausführungsweise beschäftigen).

Gerade unser Becken, unsere Hüftgelenke und unsere Hüftköpfe (Oberschenkelköpfe) geben uns da ein reiches Betätigungsfeld und können uns gut mit unseren Hinterfragungen beschäftigen. Das ist auch der Grund, warum der Schwerpunkt in meinen „Reiterschulungen“ (neben den Händen des Menschen besser gesagt seinen Schultern) – unseren Hüftgelenken zukommt, weil sich von der Bewegungsfähigkeit des Beckens, der Hüfte und der Freiheit der Oberschenkelknochen entscheidet, ob unser Reiterkörper eine motivierende oder eine belastende Wirkung auf den Pferderücken hat.

Das Kernstück unseres Reitersitzes
Der Hüftgelenksknorpel wird bei einem frei verfügbaren Hüftgelenk (bei dem der Oberschenkelkopf satt und kugelig in der Hüfthöhle liegt) bei jedem Schritt des Pferdes mit Druck und Entlastung dreidimensional „massiert“ (auch deswegen galt Reiten früher als gesund!). Der ganze Oberkörper kann dabei sehr elegant und aufgerichtet sein Gleichgewicht bewahren – vorausgesetzt, das Hüftgelenk ist in alle Richtungen beweglich.

Zahlreiche Muskelgruppen, die großteils am Becken, teilweise auch an der Wirbelsäule entspringen, sind an der Bewegung des Oberschenkels beteiligt. Deshalb kann eine wirklich Bewegungsfähigkeit auch für das Hüftgelenk nur erreicht werden, indem man das Zusammenwirken des Körpers wieder herstellt (so wie es in den „Placements“ der Fall ist).

Ist die Bewegungsunfähigkeit des Hüftgelenks eingeschränkt, führt das automatisch zu mehr Druck auf Knien, Knöcheln und Füßen, denn die kleinen Gelenke der Beine müssen den Oberkörper quasi „hinter sich herziehen“. Der Körper kommt „hinter die Bewegung“ (übrigens wie beim Pferd). Ein verfügbar aufgerichtetes Becken dagegen und „offene Leisten“, sind Merkmale für eine koordinierende Hüftposition, die Bewegungen annehmen kann – aber auch Bewegungsimpulse weiterleiten kann.

Auch bei dynamischeren Gängen des Pferdes kann unser Rumpf so in einer dreidimensionalen Verfügbarkeit des Beckens über den Hüftköpfen balancieren, um das Gleichgewicht und die Aufrichtung des Rumpfes zu bewahren. Je schöner sich unser Körper zwanglos auf die Bewegungen des Pferdes einlassen und sich sogar mit ihm abstimmen kann, umso schöner bleiben wir gemeinsam mit dem Pferd im (dann gemeinsamen) Schwerpunkt.

Sie sollten also niemals fest montiert auf den Sitzknochen sitzen. Kein Sattel dieser Welt kann die Last und die entstehende Wirkung auf das Pferd ausgleichen. Die Unbeweglichkeit der Rippen, die eingeschränkte Zwerchfellatmung behindern nicht nur ihre Atmung – sondern auch ihren „Sitz“ und ihr Pferd.

Denn unser Hüftgelenke tragen federnd das Gewicht unseres Oberkörpers und übertragen die Bewegungen der Beine auf den gesamten Rumpf und umgekehrt. Eine der Voraussetzungen für einen feinmotorischen, losgelassenen und durchlässigen Reitersitz ist daher eine umfassende Bewegungsfähigkeit und Hüft- und Beckenmuskeln im Spannungsgleichgewicht.

Das Gegenteil sehen wir leider viel häufiger:
• DIE HÜFTBEUGER WERDEN VERSTÄRKT BEANSPRUCHT beansprucht oder sind durch zu viel Sitzen verkürzt – das Muskelungleichgewicht zwischen Beugern und Streckern nimmt zu – sie können das Becken nicht mehr aufrichten. Die Wirbelkette baut sich auf einem „schiefen“ Fundament auf.
• EINGESCHRÄNKE HÜFTBEWEGLICHKEIT, weil man im Hohlkreuz hängt (die Wirbelsäule wölbt sich verstärkt in Richtung Bauch, die Lendenwirbelkette kippt nach vorn und kippt das Becken) Die schwachen Hüftgelenksstrukturen in Kombination mit einer Überanstrengung des Rumpfes– lassen das Becken auf einer Seite absinken – man knickt unbewusst in der Seite ein, weil die aufrichtende Basis fehlt.
• EINGESCHRÄNKE HÜFTBEWEGLICHKEIT, weil man im Rundrücken hängt – es kommt zu einem äußerst ungünstigen „Drehmoment“ zwischen Oberschenkelkopf und Hüftgelenk. Die Aufrichtung knickt, der Stoß nach oben staucht die Lendenwirbelkette einseitig und die Bandscheiben werden unnötig beansprucht. Die nötige Federung auf dem Pferderücken bleibt sozusagen im „Kreuz“ stecken. Die Öffnung für die Brustwirbelkette wird abgebremst.
• EINGESCHRÄNKE HÜFTBEWEGLICHKEIT, weil man auf der Hüfte sitzt – die Hüftgelenke werden einseitig belastet. Die verfügbare Dreidimensionalität geht verloren und die abstimmenden Bewegungsimpulse können nicht mehr fließend weitergeleitet werden.
• DAS BECKEN KIPPT UNKONTROLLIERT auf dem Oberschenkelkopf nach links und rechts – oder vor und zurück. Die ursprünglich federnden Bewegungen bleiben sozusagen in den Hüftgelenken stecken. Die Beine werden fest und müssen den „Sitz“ ersetzen.
• DIE BEINE SCHWINGEN NICHT MEHR in den Hüftgelenken, sie müssen entweder vorzogen werden = Stuhlsitz oder werden zurückgehalten = Spaltsitz
• DAS RUMPFGLEICHGEWICHT IST GESTÖRT, die Lendenwirbelkette stabilisiert sich oder wird zusätzlich fixiert (z.B. durch den Sattel), der Brustkorb dadurch festgehalten, der Kopf und die Schultern kippen nach vorne
Weil auch unsere Körperkommunikation am Boden – damit meine ich nicht den inflationär verwendeten Begriff der „Körpersprache“ – durch die Bewegungsfähigkeit unseren unteren „großen Gelenks“ entscheidend beeinflusst wird, beschäftigen sich die Übungen der „Placements“ (und mit vielen anderen mehr) sehr eingehend mit dem Thema „wie bewegt sich der Oberschenkelkopf in der Hüftpfanne“. Davon ist ihr Reitersitz abhängig – aber auch ihre gesamte Bewegungsfähigkeit und natürlich ihre Gleichgewichtsfähigkeit auf und mit dem Pferd.
Die von mir entwickelten „Placements“ mit denen ich Sie in den „Reiterschulungen“ bekannt mache, sollen sie von ihren Spannungszuständen befreien, damit sie wieder in ihr ursprüngliches (primordiales) Zusammenwirken ihres Körpers kommen und sich eine vielseitige Gleichgewichts- und Bewegungsfähigkeit aneignen und weiter ausbauen können – die Sie letztendlich zum Reiten brauchen.


Monika Buhl