Die Halswirbelkette stellt den beweglichsten Teil des Pferdes. Diese Beweglichkeit wird dem Genick des Pferdes in den Händen des Menschen sehr oft zum Verhängnis. Durch die monotone Belastung der Halswirbelkette – ausgelöst durch die Festigkeit im Nacken des Pferdes kommt es sowohl im Bereich der Hals wie als auch der Lendenwirbelkette zu Abnutzungserscheinungen.
Die Reiterhände müssen immer beachten, wie der Kopf des Pferdes von seiner Halswirbelkette getragen wird
Jede kleine Bewegung des Pferdes wird dabei von zwei sehr wichtigen Komponenten beeinflusst – und zwar wie „durchlässig“ der Nacken des Pferdes ist und wie der Pferdehals geformt ist. Beide Faktoren bestimmen welche Bewegungsmöglichkeiten die Halswirbelkette von der Schädelbasis ab zum Bewegungsapparat weitergeben kann. Beide – das Genick des Pferdes und die Halsformung bestimmen also den „Wert“ einer Bewegung für den Organismus.
Die Hände haben also nicht nur mit dem Genick des Pferdes die Schwachstelle des Pferdekörpers in der Hand, sondern die Zügelhände bestimmen durch ihr „Hand-Werk“ ob sie den Pferdekörper belasten – oder ihn aufbauen. Nach wie vor begeistern sich Reiter noch von den „nostalgischen“ Zwangsmitteln der letzten Reitjahrhunderte, die dem Pferdegenick bewusst Druck gemacht haben, um das Pferd gefügig zu machen.
Weil ich mich gefragt habe, warum Reiter ihr Pferd bewusst im Genick beschädigen, wollte ich den Gründen auf die Spur kommen. Dazu habe ich zwei Varianten gegenübergestellt, mit dem der Mensch die Voraussetzungen schafft, um das Pferd unter sich in Bewegung zu setzen.
- Variante: den ganzen Pferdekörper unter Spannung setzen
Mit Spannung im Körper kann man schnell und einfach Bewegung generieren (was extrem wichtig war beim Militär). Die Ganzkörperanspannung versetzt das Pferd in eine körperliche Lage, um sehr schnell eine gewünschte Leistung zu erbringen, auch ohne, dass der Mensch die entsprechenden Fähigkeiten eines Reiters mitbringt (was bei den Rekruten notwendig war).
Das Prinzip ist: Spannung erzeugt Kraft. Wir kennen das von uns: wenn wir hochspringen wollen, spannen wir uns zuerst an. Das bringt wie erwartet, eine schnelle Leistung – denn wenn die Feder gespannt wird, entfaltet sie ihre Kraft – glaubt man. Und je größer die verlangte Leistung des Pferdes sein soll, desto kräftiger musste vorher „gesammelt“ – also gespannt werden.
Die vom Menschen erzeugte Spannung ist allerdings keine echte „Ver-sammlung“ des Pferdes. Da die „Sammlung“ über eine Fixierung des Kopfes hergestellt wird, ist es richtiger, bei einem solchen „beigezäumten“ Pferd von einem „verkürzten“ statt von einem versammelten Pferd zu sprechen – denn die Versammlungsfähigkeit des Pferdes sieht ja die durchgehende Durchlässigkeit seines Rumpfes, das tragende Halsgeflecht und die Balance im Genick vor.
Also sind auch alle „über Spannung erarbeiteten“ Lektionen nur Verkürzungen im Pferdekörper, bei denen die Bewegung nicht mehr durchgeht – mit dramatischen Auswirkungen für die Regulation von Funktionsmechanismen, Atmung und organischen Bewegungen. Denn die Spannung, unter die der Pferdekörper gesetzt wird, überzieht natürlich auch den ganzen Bewegungsorganismus des Pferdes. Eine Piaffe ist so keine „echte“ Piaffe, sondern ein Hochziehen der Beine – die Kadenz zeigt nicht mehr die absolute Durchlässigkeit des Pferdes, sondern antrainierte, gekünstelte Bewegungen usw.
Der zweite Nachteil: damit das Pferd „gespannt“ (Spannungsbogen) werden kann, muss ja der Kopf des Pferdes fixiert werden um dann in den festgestellten Kopf/Hals des Pferdes und in die Schulter des Pferdes ordentlich „hineingetrieben“ zu werden – damit die benötigte Spannung aufrechterhalten werden kann. Weil dass auch für den Menschen eine anstrengende Geschichte ist, wird das Pferd zusätzlich gerne ausgebunden – also „in Form“ gebracht. Dieses „dressieren – in Form bringen“ ist übrigens der Ursprung des Begriffes der „Dressur“.
Den Händen des Menschen wird also irgendwann, irgendwie und von irgendwem beigebracht, das Pferdemaul so zu kontrollieren, dass es sich nicht aus seiner Spannung herausbewegt, um dann dem „gehorsamen“ Pferdemaul Bewegung beizubringen, was faktisch garnicht möglich ist – aber dazu komme ich noch. Die Gänge des Pferdes verkürzen sich dabei und sind ausdruckslos – also werden dem Pferd künstliche, roboterhafte Bewegungen beigebracht (siehe Olympia)
Der dritte Nachteil: Durch diese Fixierung des Kopfes über feststehende Gebisse, wie Kandaren, Knebelgebisse, Stangen, D-Ringe, Olivenkopfgebisse oder ähnliche Varianten, wird das Pferd nicht nur in gespannte Bewegungen gebracht, sondern dabei die lebenswichtigen Funktionen des Kopfes, seine Blutzirkulation, die Nasenatmung und Zungenbewegung eingeschränkt.
Das automatisierte Verhalten der Zügelhände
Die Hände der meisten Reiter werden auf diese Weise dazu erzogen, Widerstand zu ahnden – um das Pferd „gehorsam“ in der Hand zu machen. Also, die selbstwirksamen Bewegungen, die Selbstaufrichtung der Wirbelkette und die Wahrnehmung des Pferdes zu unterdrücken. Wie man das macht – dafür kann man überall Vorschläge, Tipps, Tricks und Maßnahmen erhalten. Am einfachsten für den Reiter und am „wirkungsvollsten“ dazu, ist der Druck auf das Genick und die Veränderung und Verformung der Halswirbel.
Als komplettes Gegenstück zu diesem martialischen Reiten gibt es die zweite Variante, um das Pferd in Bewegung zu bringen. Wieder – aber ganz anders sind die Hände des Reiters maßgeblich daran beteiligt. Diese Art der Bewegung die durch den ganzen Körper – also vor allem durch das Genick läuft – und die federnde Hinterhand zur Kraftentfaltung bringt, könnte man am ehesten mit asiatischen Kampfkünsten vergleichen, bei denen die enorme Kraftentfaltung und die präzise Leistung, aus dem Zusammenspiel des ganzen Körpers kommt.
- Variante: ist eine andere Gleichgewichtsverteilung des Pferdes…
…bei der nicht die Bewegungen des Pferdes verändert werden, sondern sein Gleichgewicht. Durch die Gleichgewichtsverschiebungen der Variantenreichen Bewegungen bewegt sich das Pferd aus seiner Vorhandlastigkeit heraus, (mit Betonung auf „bewegen“ – denn das geht natürlich nicht im statischen Stehen oder Gehen) Der Bewegungsapparat befreit sich von seinen Einbindungen, richtet sich von hinten her auf, verteilt also sein Gleichgewicht um und passt gleich die Regulierung des Bewegungsorganismus an die Gleichgewichtsverlagerungen an.
Statt also den ganzen Pferdekörper unter Generalspannung zu versetzen, geht die Bewegung durch die durchlässigen Strukturen (Genickbalance, Halsgeflecht, Rumpf – also die Oberlinie des Pferdes). Und damit erklärt sich, warum so viele Pferde unter einem Topline-Syndrom – also der Trageerschöpfung leiden. Die Erschöpfung entsteht, wenn der Pferdekörper einer chronisch überspannten Oberlinie, nichts entgegensetzen kann, weil der Kopf im Genick fixiert ist.
In anderen Artikeln beschreibe ich diesen Vorgang im Pferdekörper noch genauer.
Wie auch immer, die Hände des Menschen, haben im Guten, wie im Schlechten eine ganz besondere, sehr wichtige Wirkung auf das Genick des Pferdes. In der „Reiterschulung“, die ich dafür entwickelt habe, unterrichte ich Sie zu „feinen Reiterhänden“, die einen unbelasteten Umgang mit den Halswirbeln haben, das Genick in Balance halten können – aber auch zuvor das Genick „befreien“ – also von Druck und Belastung „entlasten“ können.
Für den Reiter ist die Voraussetzung für tragende, balancierende Hände die Gleichgewichts-fähigkeit des Körpers. Und genau die brauchen wir auch, wenn die Zügelhände mit einer feinen einfühlsamen Federung in den Handgelenken, in die Hinterhand ankommen möchte, um mit der Winkelung der Hinterhand in allen einzelnen Gelenken „die Federn der Hanke zu spannen“.
Der Bewegungsprozess aber auch der Reitprozess beginnt immer im Maul des Pferdes
Das bedeutet, dass wir dem Genick (und damit dem Maul des Pferdes) keine Bewegungsinformationen aufzwingen, sondern erst mal die Bewegung des Pferdes, die es uns in seinem Maul zeigt, annehmen, um sich auf sie einzulassen, mit den eigenen Bewegungen in sie einzugehen und durch den eigenen Körper durchlaufen zu lassen.
Das Pferd passt sich an unsere Hand an
Die vornehmste Aufgabe des Reiters ist es, mit den Bewegungsinformationen unserer Hand, das Pferd für seine eigenen, selbstwirksamen Bewegungen zu begeistern. Stattdessen „erziehen“ wir das Pferd immer noch mit den Gehorsams-Konzepten von vorgestern und wundern uns, warum wir bei Pferden eine (Trage)Erschöpfung feststellen, die wir leider mit noch mehr Muskelaufbau begegnen, nicht aber durch mehr Durchlässigkeit im Bewegungsapparat- und Organismus.
Monika Buhl
Die „Genickentlastung“ gebe ich in Einzel-Genickentlastungen weiter, die die individuellen Bewegungseinschränkungen und Spannungsmuster des Pferdes, die sich aus der Genick-belastung und aus Vorhandlastigkeit zusammensetzen, umstrukturieren zu können. Den weiteren Prozess begleite ich im „Mentoring“ und stehe ich Ihnen praktisch beratend zur Seite.
Sowohl das „biomotorische Gebiss“ wie als auch die übrigen Materialien zur „Genickentlastung“ des Pferdes, z.B. die „Fokussiergerte“ zur Gewichtsverlagerung und die Gebissbrücke zum Federn und Ausbalancieren des Gebisses vom Boden aus, können Sie bei mir bestellen unter meiner email-Adresse: biomotorik@gmx.de