Gehorsam

Gehorsam

Es gibt viele Träume, die der Mensch gemeinsam mit dem Pferd zu verwirklichen versucht. Besonders beliebt ist der Traum des Menschen, dass das Reiten einfacher und harmonischer wäre, wenn das Pferd dem Menschen gehorchen würde und dasselbe Ziel (nämlich das des Menschen) verfolgen würden. Dann gäbe es keinen Widerstand mehr vom Pferd, keine Widersetzlichkeit, kein Bocken oder Verweigern. Friede, Freude, Eierkuchen. Wie schön wäre das?

Aber stimmt das wirklich? Oder gerät der Mensch dabei in eine fatale Sackgasse? Kommt es beim Reiten wirklich darauf an, dass das Pferd widerspruchlos das macht, was der Mensch will? Und scheitern nicht regelmäßig genau diejenigen am Pferdekörper, die dieses Ziel verfolgen?

Vielleicht wollte man das Pferd anfangs nur ganz sachte dahin leiten, wo man es haben wollte – ganz freundlich – vielleicht nur mit einem kleinen Wegzeig mit der Hand. Die dann aber immer deutlicher wurde. Immer bestimmender. Bestimmender über den Körper des Pferdes. Über das Lebewesen Pferd. Bis hin, zum das Pferd zwingen – indem man seine Sinneswahrnehmungen abtrennt, es in eine Form zwängen – oder ihm sogar Gewalt antun…

So hatten sich das die allerwenigsten Reiter anfangs gedacht. So wollten sie nie reiten! Aber aus der auf das Gehorsam des Pferdes ausgerichtete Reiten hat sich über kurz oder lang etwas herausgebildet, das nur noch auf der Abwärtsspirale enden kann: mit körperlichem Stillstand.
Die Hand, die steht. Der Reiter und seine Wirbelkette – steht auch. Die Beine des Reiters – stehen ebenfalls still. Die Wirbelkette des Pferdes wird still gehalten, seine Schultern stabilisiert, seine Rippen festgehalten, sein Becken ohne Bewegung – oder sogar in einer pathologischen Bewegung eingefroren. Reiten im Stillstand!

Durch die Starrheit gibt es nichts mehr was den Reiter stören könnte. Was ja auch durchaus bewusst praktiziert wird, wenn der Widerstand des Pferdes unterdrückt wird. Das Pferd, das nun kein „Gehör“ mehr beim Menschen findet, keine Gemeinsamkeit mehr hat, keine Verbindung, kein Miteinander mit dem Menschen und keine Sicherheit. Obwohl Sicherheit ein Urbedürfnis des Pferdes ist, wurde es zu der Meinung des Menschen gemacht. So passt alles schön für den Menschen, und die rausgepressten Bewegungen werden ja auch gebührend bewundert.

Der Körper des Pferdes spielt nicht mit!

Aber eben nicht sehr lange: denn die Funktionen des Körper des Pferdes kann man nicht unterdrücken. Haben Sie es schon mal geschafft, wenn sie auf Toilette mussten, dieses Bedürfnis zu unterdrücken? – eben!
Wer die Bewegungen und die Bewegungsfähigkeit des Pferdes nicht pflegt, zahlt irgendwann den Preis dafür. Das heißt, das Pferd zahlt den hohen Preis – und irgendwann auch der Mensch. Der Körper des Pferdes lässt sich weder ein- noch bezäumen, noch in bestimmte Bahnen lenken. Pferde sind natürlich viel zu verschieden, zu neugierig, zu unternehmungs- und bewegungsfreudig, um in EINE Form, und in EINE Regel gepresst werden zu können. 

Man kann dem Pferd nicht die Vorstellungen des Menschen aufzwingen, es auch nicht von den Vorzügen besonderer Gangarten oder Körperhaltungen überzeugen. Nicht durch subtile Unterwanderung seiner Körperfunktionen, und auch nicht durch die Erzeugung von Abhängigkeiten. Und seiner Bewegungen auch nicht. Ständiges bewegen ist das Wesen allen Lebendigen – also auch des Pferdes.

Eingefleischte Bewegungen?

Ein Pferd muss sich weiterentwickeln. Ständig. Denn die Welt um es herum, bleibt ja nicht so, wie sie  ist. Sie verändert sich laufend, stündlich, minütlich, sekündlich. Die Bewegungen des Pferdes müssen sich an diese „Veränderungen“ anpassen können. Und deshalb kann auch in der Welt der Reiterei keine Bewegung so bleiben, wie sie gestern war. Der Reiter, der das Pferd zwingt, dass es sich in seinen Bewegungen NICHT ständig mitverändern und weiter entwickeln kann, der erzeugt bewusst Starrheit, und bestraft beide Körper.

In der Tiefe des Pferdekörpers reiten

So ist dann auch das Gegenteil von Starrheit, das wohlgehütete Geheimnis eines jeden Pferd-Reiter-Dream-Teams. Es geht überhaupt nicht  darum, dass das Pferd brav macht, was der Mensch möchte, sondern es geht um den gesunden Erhalt von Bewegungen, die man miteinander und gemeinsam aufgebaut. Und es geht um ihre ständige Weiterentwicklung. Nicht schneller, weiter, höher. Sondern tiefer – noch tiefer – und immer noch tiefer – in den Körper hinein – in den Organismus, in die kleinste Zelle. Bis das das Pferd seine Bewegungen durch die Zellen atmet.

Tiefe – mit Körperplastizität. IN DER TIEFE DES PFERDEKÖRPERS reiten. Das Geheimnis eines Reiters der mit der Tiefe des Pferdekörpers reitet, ist die Fähigkeit, das Pferd als lebendige, einzigartige Persönlichkeit anzusehen und Probleme und Konflikte die vielleicht aus dem gemeinsamen Reiten entstehenden, vorbehaltlos anzunehmen, um sie gemeinsam, auf eine für alle beide befriedigende Weise zu lösen.

Körperplastizität

Man kann dem Pferd nicht den Kiefer zuschnüren und sich einreden, dass es ihm guttut. Nein, es tut ihn nicht gut. Was für die Körperplastizität gebraucht wird, ist deshalb genau das Gegenteil von einer festgehaltenen Starrheit, bei der der Kiefer zugebunden wird, das Genick belastet und nicht auf die Durchlässigkeit des Beckens geachtet wird. Nicht der festgehaltene Stillstand des Pferdes sollte dem Reiter am Herzen liegen. Denn die Körperplastizität ist der Zustand des Pferdekörpers, in dem alles möglichst gut und reibungslos zusammenpasst, damit sich das Pferd ständig weiterentwickeln kann.

Mit der Tiefe reiten oder das Pferd tief reiten

Das Pferd tief reiten ist das genaue Gegenteil von „in der Tiefe“ reiten. Mit dem „mit der Tiefe des Pferdekörpers reiten“ wird beim Pferd das entwickelt und trainiert, was der Pferdekörper braucht, um dem ewigen Sog der Schwerkraft zu widerstehen. Der Körperplastizität, dem plastisch geformten Pferdekörper macht der Zug der Schwerkraft nichts aus. Im Gegenteil, der Pferdekörper in seiner Körperplastizität spielt mit der Schwerkraft. Wirbel und Gelenke des Pferdes bewegen sich in ihr und werden dabei immer plastischer, kraftvoller und zugleich anmutiger.

Der hängende Hals

Das „tief reiten“ dagegen hindert das Pferd an seinen Bewegungen und den Organismus an seiner Funktionalität. Und leider ist es so: jeder Reiter der den Pferdekörper nicht in seiner Körperplastizität unterstützt – reitet sein Pferd tief. Der eine mehr und der andere weniger – aber sobald der Hals hängt und nicht getragen wird, ist tief eben das schädigende tief im Sinne des Pferdekörpers…

Meine Gedanken dazu:

Viele von den Fehlbelastungen des Pferdes entstehen schon allein durch die „eingefleischten“ Gewohnheiten des Alltags. Und werden dann von der Belastung des Reitens oder des Reiters „unterstützt“ oder sogar da noch extra ausgeprägt (vorwärts-abwärts!). Aus dem Grund, haben sich viele mit einem unguten Gefühl vom Reiten verabschiedet. Nur – indem man den Feuerlöscher abmontiert, verhindert man keine Brände!

 Gar nicht so wenige von den Fehlbelastungen werden so vom Menschen unbewusst „bewusst“ hergestellt. Ob durch stereotype Ausbildungsmethoden oder durch den festgehaltenen Reiterkörper „in Haltung“. Aber mindestens genauso viele Fehlbelastungen entwickeln sich im Körper durch das „Nichtstun“. Auch das Nicht-Entwickeln von Bewegungen schädigt den Pferdekörper auf allen vier Körperprozess-ebenen. In der Anatomie, der Physiologie, den angeborenen Bewegungen und vor allem in der Psyche.

Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, und um das Pferd körperlich vorzubereiten, auf das was im Leben auf das Pferd in der Gemeinschaft mit dem Menschen zukommt – egal was es ist, geht es hier auf dieser Webseite um nicht anderes als um die Körperplastizität des Pferdes, und um die „Pflege“ von den Pferdebewegungen durch das „biomotorische Training“. Damit sie die ersten Schritte „in die Biomotorik führen“, selbst leicht nachvollziehen können, beschreibe ich sie ganz ausführlich.