Der Reitersitz

Der Reitersitz – eine magische Verbindung

Es ist so eine Sache mit dem „Reitersitz“. Es gibt nämlich gar keinen. Jeder hat einen anderen und jeder beschreibt demnach auch einen anderen. Unter dem Sammelnamen „Sitz“ jedenfalls, findet sich alles Mögliche zusammen. Was macht für Sie ein „Reitersitz“ aus? Konzentrieren Sie sich auf das, was der Reiter alles falsch macht und noch lernen! muss. Oder ist der „Reitersitz“ für Sie die Illusion einer Perfektion, die uns auf dem Pferd zu technischen „Hilfsmitteln“ verführt?

Hat der „Sitz“ recht, der meint dem Pferd etwas beibringen zu müssen, aber naturgemäß nicht nur nichts bringt, sondern ein echter Stimmungs- und vor allem ein „Sitzkiller“ für ihren Körper ist? Oder der, der völlig unlesbar für das Pferd auf dem Pferd rumlümmelt? Fokussiert sich IHR „Sitz“ auf reiterliche Ziele – oder auf die „Hindernisse“, die der Pferdekörper zeigt? Auf Ängste und Unsicherheiten? Spannungs- und Gewohnheitsmuster?

Wenn Ihnen ihr „Reitersitz“ nicht mehr gefällt, können Sie ja ihrem Körper einen „Neuen“ zeigen

Um sich mit dem Pferd „Körperauszutauschen“ kommt dem „Sitz“ selbstverständlich eine völlig andere Bedeutung zu – zum Glück kann man sich beim „Körperaustauschen“ auf das herrlich befreiende Gefühl einlassen, seinen eigenen Körper wahrzunehmen. Und ist deshalb mein ganz persönlicher Tipp für alle ist, die sich und dem Pferd das Reiten leichter machen wollen.

Genau aus diesem Grunde sollte das Reiten niemals Üben im Sinne von Training sein. Allein durch die vielen unschätzbaren gemeinsamen Bewegungserfahrungen, durch die verbindenden Koordinierungen, die sie beide zusammen machen, bauen sie ständig neue Strukturvernetzungen auf. Die ganz selbstverständlich genutzten Bewegungsmuskeln bilden sich durch die wechselseitige Animation (zu Deutsch „zum Leben erwecken“) von selbst aus und sind dann auch wirkliche Bewegungsmuskeln und nicht nach rückwärts gerichtete „Haltemuskeln“.

Die Synchronisation zwischen Mensch und Pferd

Der beste Reitersitz ist der, der dem Pferd alle Möglichkeiten des Reiters bieten kann. Und am besten alle gleichzeitig (feinmotorisch) reaktiv und situativ. Denn zu Recht hat das Pferd von Natur aus die Neigung, jedem Druck, den der eigene Körper bekommt, entgegenzuarbeiten. Auch da sind wir dem Pferd sehr ähnlich.

Der Reitersitz ist aus der Sicht des Pferdes ganz und gar nicht verhandelbar…

Aus der Sicht des Pferdes ist der „Reitersitz“ nicht verhandelbar. Ein „Reitersitz“ der seine Bewegungen verändert und verhindert ist kein guter „Reitersitz“. Punkt. Und niemand kann Bewegungen so einfach manipulieren wie ein Reiter, der auf dem Rücken des Pferdes sitzt und die schutzlose Halswirbelkette in den Händen hält. Das Pferd MUSS logischerweise auf bohrende Sitzeinwirkungen des Reiters durch ein katzenhaftes Anspannen des Rückens reagieren.

Was gar nicht gut ist, denn das Anspannen des Rückens bedingt ein Feststellen des Genicks – das ist nun einmal ein in der Anatomie des Pferdekörpers begründetes, auch vom Menschen nicht zu änderndes Gesetz. Der Traum vom vollkommen losgelassenen und durchlässigen Reitpferd zerplatzt genau in diesem Moment. Und der Traum vom gelassenen Reitersitz auch – denn nun ist der Reiter gezwungen, sich mit den Problemen und Widerständen des Pferdes zu beschäftigen.

Wenn der Reiter einen runden Rücken macht, wirkt er gegen die Pferdeschulter und schiebt in das Pferd hinein (Skizze A). Wenn sich der Reiter dann aber aus seinem runden Rücken heraus aufrichtet, drückt er seinen Lenden-Beckenbereich durch (Skizze B). Beides kann man bei allem Wohlwollen nicht als Reitersitz bezeichnen, weil der Reiter ja mit all seinen Bewegungseinschränkungen auf dem Pferd sitzt und dem Pferd die doppelte Aufgabe zuschiebt, den Menschenkörper mit seinen Problemen zu kompensieren und zugleich irgendwie die eigenen Bewegungen auszuführen.

Lassen Sie lieber bewegliche Bewegungen zu

Auch gespannte Bewegungen (kurzfristig) „funktionieren“ sollten – „Bewegungsentwicklung“ funktioniert so nicht. Die Bewegungen des Pferdes bleiben im Körper stecken und können nicht ausgelebt werden. Ihren Einfluss auf die Pferdebewegungen sollten Sie daher lieber beweglich und nicht mechanisch sehen, und vor allem nicht ihre ganze „Kunst“ in dem vergeblichen Streben erschöpfen um „die Hinterhand heranzuholen“ oder „das Pferd aufzurichten“. Das kann eh nur der Pferdekörper selbst.

Unweigerlich treiben Sie durch diese Handlungen die Hinterhand nach hinten hinaus und bringen den Rücken des Pferdes – statt zum Loslassen und elastischen Zusammenwirken – zum Einknicken und zu weiterem Anspannen. Ihr eigenes Gewicht ist statt nach vorn, nach hinten gerichtet. Die nach hinten hinausgetriebene stabilisierte Hinterhand und der eingeknickte oder runde Rücken nehmen natürlich dann dem Pferd die Fähigkeit sich selbst zu tragen – und bringen den ganzen Körper aus dem Konzept. 

Ist die „Reiterschulung“ ohne Pferd?

Die meistgestellteste Frage die ich im Vorfeld meiner „Reiterschulung“ beantworten darf, ist: „ist das ohne Pferd“. Meine Antwort ruft dann genauso regelmäßig Erstaunen hervor. Dass man etwas mit seinem Körper erlernt, so ganz ohne dass man es beim Pferd gleich ausprobiert, das scheint etwas unverständlich Neues zu sein. “Aber wir kriegen ja dann gar nicht mit, wie das Pferd reagiert“: so oder so ähnlich kommt dann die Erwiderung. Ja, beim eigenen Körpergefühl, geht es erstmal um den eigenen Körper. Tänzer verfeinern ihren Körper ja auch ständig und unabhängig vom Tanzen.

Das wichtige an unserem Reitersitz ist nicht WIE und auf welche Weise unser Körper auf dem Pferd „sitzt“ – sondern was unser Körper, während dem „Sitzen“ alles tun kann – also welche instinktiven Handlungen er ausführen kann. Nicht die Form des Sitzes ist entscheidend, sondern die Verfügbarkeit und Bewegungsbereitstellung unseres Körpers. Und die können Sie einfach lernen – aus diesem Grunde habe ich das Seminar der „Reiterschulung“ entworfen und die „Placements“ entwickelt.

Irgendwann werden sie richtig gut im „Loslassen“. Deshalb ist es „sinnvoll“, immer wieder in kleinen, vielleicht auch langsamen Bewegungseinheiten zu „arbeiten“ – besser gesagt, sich mit dem Pferdekörper auszutauschen. Durch die Impulse der „Placements“ können sie beide eventuelle Verkrampfungen ihrer Nackenmuskulaturen, oder anderer Spannungs- und Gewohnheitsmuster durch lebendige, durchlässig Bewegungen auflösen. Noch besser, wenn das Pferd die Impulse der „biomotorischen Handlings“ bereits kennt und z.B. die Balance im Genick umsetzen kann.

Wie „üben“ Sie Reiten?

Sagen Sie sich und dem Pferd ruhig „stopp“, wenn sie etwas stört oder unangenehm ist, und beginnen Sie einfach eine neue Bewegung. Einfach so – weil miteinander bewegen so schön ist. Und viel schöner ist, als in einer negativen Bewegungsspirale festzuhängen (Wer übrigens sollte das entscheiden dürfen, wie der Reiter und sein Pferd).

Ein Reitersitz entsteht

Wenn wir unseren Körper und seine vielfältigen, feinmotorischen Bewegungsfähigkeiten einsetzen können, werden nicht nur die Möglichkeiten, die sich beim Reiten bieten, unendlich größer. Sie können die Magie der Verbindung spüren, die zwischen ihnen und dem Pferd ganz von selbst entsteht. Genauso selbstverständlich wie ihr „Reitersitz“ übrigens.

Monika Buhl