Biomotorische Übungen

Die biomotorischen Übungen – das feine Lösen des Pferdekörpers

Wir Reiter sind von der Funktionalität des Pferdekörpers, von seinem Körpergefühl, Selbst-Bewusstsein und seinem Vertrauen zu den eigenen Bewegungen genauso abhängig wie von der Fähigkeit, dass das Pferd unsere Bewegungsinformationen mit seinem Körper annehmen und zu seinen Bewegungen entwickeln und ausbauen kann.

Dem Menschen kommt dabei eine sehr große „Bildungsaufgabe“ zu, die aber eigentlich das Wesen des Menschen auszeichnet. Wir verfügen über das Vermögen, das, was uns und dem Pferd von Natur aus gegeben ist, auszuprägen und zu entwickeln. Diese Fähigkeit erlaubt uns Bewegungen bewusst zu erweitern und zu verfeinern und sie so – nicht künstlich – sondern zur Kunst zu machen.

Das ist ein wichtiger Aspekt im Blick auf den Pferdekörper, denn je mehr wir die Anlagen des Pferdes im Blick – im Fokus – haben, desto aufmerksamer werden wir für die Natur des Pferdes. Überhaupt ist Aufmerksamkeit der rote Faden der „biomotorischen Übungen“ – auch für die Aufmerksamkeit und Entwicklung der Tiefenatmung, also die vertiefte Atmung über das Zwerchfell, dass das Pferd im Alltag vergleichsweise selten für seine „normale“ Atmung nutzt.

Wir brauchen uns keinen falschen Vorstellungen hingeben. Die „Hilfengebung“ des Menschen ist nur dann effizient und wirksam, wenn das Pferd zuvor zu „Empfänglichkeit“ seines Körpers – zur Durchlässigkeit – ausgebildet wurde und damit in der Lage ist, ihre Bewegungsimpulse mit seinem Körper anzunehmen. Spannungsmuster des Körpers jedenfalls tun das nicht. So bringt es nicht viel, „Hilfengebungen“ zu erlernen – die das Pferd durch die Festigkeit des Körpers nicht verstehen kann.

Das Pferd braucht besondere Voraussetzungen seines Körpers, um Vertrauen zu ihrem Sitz und zu ihren Reiterhänden aufbauen zu können. Es braucht die unbedingte Verfügbarkeit seines Körpers, um ihre Bewegungsimpulse in seine Bewegungen wandeln zu können. Sonst baut der Körper des Pferdes als „Schutz“ gegen den unbeweglichen Reiterkörper, einen Panzer aus gespannter Muskulatur auf, die auch die organischen Bewegungen und die körpereigene Regulierung verhindern.

Eine Bewegungsentwicklung des Pferdes wird deshalb immer Hand in Hand mit der Schulung des Reiterkörpers gehen. Leider sind die Schultern des Menschen oft so festgehalten, und die Hände so starr und hart, dass es eigentlich sogar fast besser wäre, das Maul des Pferdes nicht mit einem Gebiss zu belasten, obwohl wir dem Pferd damit jede Möglichkeit zum Lösen seines Genick/Kiefer- Komplexes nehmen. Das feine Lösen geht wohlgemerkt nur durch eine Aktivierung der Funktionalität des Kopfes – nicht aber durch Verbiegungen des Kopfes im Genick. Wer kommt auf so was?

Der Prozess der Bewegungsentwicklung
Wenn der Prozess der Bewegungsentwicklung „installiert“ und aktiviert wird, kann der Pferdekörper besonders gut „Bewegungen“ lernen – die zufällig auch genau DIE Bewegungen sind, die den Pferdekörper so plastisch aufbauen, dass die elastisch zusammenwirkenden Strukturen das Körpersystem und den Organismus des Pferdes beim Reiten vor Überlastung bewahren. Dieser Prozess der Bewegungsentwicklung ist original der Mutter Natur „abgeschaut“.

Die Natur hat diesen wunderbaren Prozess der Bewegungsentwicklung eingerichtet, damit jedes Pferd eine gewisse Garantie auf eine körperliche Weiterentwicklung hat, die es dann – angepasst an die Gegebenheiten der „freien“ Natur – überlebensfähiger macht, aber auch einfache Reflexe zum Überleben zu wohlüberlegten Handlungen umwandeln kann.

Fehlen Bewegungserfahrungen durch Dürren oder andere Katastrophen, wird aber auch in der Natur das Bewegungsverhalten des Pferdes eingeschränkt. Das Pferd wird so von den Umständen seiner Umgebung gezwungen seine Überlebensstrategien auszuspielen (ich bin unsicher – also fliehe ich), in einem reflexhaften Verhalten zu erstarren – oder sich zu wehren. Also wie bei uns, wenn wir nicht die angeborenen Anlagen der Bewegung beim Pferd fördern.

Wenn das Pferd das Falsche lernt:
Die Art und Weise des „Lernprozesses“ ist also der springende Punkt bei der Entwicklung von Bewegungen. Und so sind die Voraussetzungen, um den muskulären und sehnigen Verbund des ganzen Pferdekörpers herzustellen, dass die eigenen Bewegungserfahrungen des Pferdes – freiwillig ausgeführt werden. Sobald das Pferd gezwungen – oder sogar einfach nur dazu gebracht wird, sich auf bestimmte Weise zu bewegen, ist es nicht die eigene Erfahrung, und wird nicht im Körper abgespeichert und in Bewegungen verankert.

Die Folge: der Mensch muss immer dieselben Bewegungen wiederholen und die Muskeln zu bestimmten Bewegungsmustern trainieren. Dabei müssten wir es doch besser wissen: eine Bewegung, die das Pferd nicht ausführt, kann der Körper (noch) nicht. Auch nicht nach 200 Wiederholungen – denn der Pferdekörper muss den Prozess dazu erst durchlaufen (Ähnlich wie der Mensch als Kleinkind) damit die Bewegungen in den Nervenzellnetzwerken verankert werden.

„Das kleinste Gramm eigener Erfahrung ist mehr wert als Millionen fremder Erfahrungen“ sagte bereits Lessing.
Also werden wir uns in Zukunft mehr mit einem „Lernen“ beschäftigen müssen, die an die Entwicklung des Pferdekörpers anschließt und den Bewegungsapparat in seinen Funktionsweisen berücksichtigt, so wie es die „biomotorische Bewegungsentwicklung“ macht.

Das hat einen ganz pragmatischen Grund, weil ohne sorgfältige Vorbereitung, der Bewegungsapparat – mit der zusätzlichen Belastung auf seinem Rücken – das Pferd schnell an seine körperlichen Grenzen kommt. Vor allem das „grüne“, das körperlich unvorbereitete Pferd, hat der Last des Menschen nicht viel entgegenzusetzen – die Folge ist, dass der Körper „Widerstand“ gegen die „unnatürliche“ Verteilung der Körpergewichte aufbaut, die auf seinem Bewegungsapparat lasten. Sichtbar – im Maul, Kiefer, Genick usw. aber vor allem in den Krümmungen der Wirbelkette.

Der Mensch nennt es „Widersetzlichkeit“, wenn die Bewegungsfähigkeit der Wirbelkette abnimmt

Die Folge: die „Dosis“ der einseitigen Bewegungen muss erhöht werden, „Techniken“ und „Mechaniken“ müssen angewendet werden, um den angestrebten Effekt zu erzielen. Damit können die „unnatürlichen“ Belastungen im Pferdekörper ihre zerstörerischen Nebeneffekte entfalten.

Es ist egal, was Sie bisher gelernt haben, sie müssen – dem Pferd zuliebe – das Beste daraus machen

Es gibt also sehr gute Gründe, um möglichst viel Zeit – sorgfältig und ernsthaft – mit der Bewegungsentwicklung des Pferdes zu verbringen. Die „biomotorischen Übungen“ die ich entwickelt habe, um in den Bewegungsprozess des Pferdes einzusteigen, sollen Ihnen zur Seite stehen, damit sie die Anatomie, die Biologie und die „Regeln“ des Pferdekörpers nicht aus den Augen verlieren.

Damit sich das Fundament eines tragfähigen Pferdekörpers Schritt für Schritt aufbauen kann, muss der Pferdekörper zuerst aus seinen Spannungs- und Gewohnheitsmuster, aus Schiefen und Ungleichgewichten gelöst werden. Die „biomotorischen Übungen“, die ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte, sollen in der ersten Phase die ungesunden Bewegungsmuster ihres Pferdes verbessern. Damit können Sie mehr Körperteile des Pferdes auf gesunde Weise bewegen als bisher.

Dabei geht es in der ersten Phase zum einen um eine bessere Ausrichtung des Pferdekörpers, zum anderen auch um neue Bewegungsherausforderungen, damit das Pferd wieder all jene Bewegungen meistern kann, die sie sich möglicherweise schon lange abgewöhnt haben, ohne es zu merken. Sie bereiten den Pferdekörper auf freie kadenzierte Bewegungen mit faszinierendem Raum(griff) in Organismus und Bewegungsapparat vor.

Wenn Sie Schritt für Schritt mehr Bewegungsfähigkeit in das Leben ihres Pferdes bringen gehören bald auch jene Bewegungseinschränkungen der Vergangenheit an, weil sie meist nur eine Folge langjährig eingeübter, unbewusster Bewegungs- und Gewohnheitsmuster sind.

Ab Januar 2024 biete ich Seminare – es sind wohl eher praktische Work-Shops – bei Ihnen im Stall, für ca. 3 – 5 Pferde an, in denen Sie die praktische Anwendung des „feinen, körperlichen Lösens“ und der „biomotorischen Bewegungsentwicklung“ mit ihren Pferden erlernen können.

Parallel dazu laufen die Reiterschulungen, bei der sie Ihren Körper für die Interaktion mit dem Pferd vorbereiten und in der Sie lernen, welche alltagsgewohnten Bewegungen ihr Pferd schädigen.
Übersicht der Reiterschulungen:

09. Dezember Sonderseminar „Handgespräche“ bei Graz (St. Peter)
13. 01. – 14. 01. 24 Reiterschulung in Kiel
27. 01. – 28. 01. 24 Reiterschulung in Ilsfeld bei Heilbronn
17. 02. Evtl. Sonderseminar „Handgespräche“ in Celle
09. 03. – 10. 03. 24 Reiterschulung bei Köln
13. 04. – 14. 04. 24 evtl. in Salzburg
weitere sind bereits in Planung…

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