Die Biomotorik des Pferdes
Es ist eine bedeutsame „Entdeckung“ für die Pferdeausbildung, die uns Neurowissenschaften aus dem Humanbereich geliefert haben. Sie besagt, das die Entwicklung des Pferdekörpers, seines Körpersystems und seiner Bewegungen, seit Jahrtausenden immer gleich verlaufen würde – und nur die Umstände der Umgebung (und der Mensch, wenn er die Zügel in die Hand nimmt), entscheiden darüber, welches Verhalten und welche Bewegungen sich beim einzelnen Pferd ausprägen.
Die Bedeutung ist deshalb so groß, weil wir quasi schwarz auf weiß damit bestätigt haben, dass wir um vieles bewusster mit dem Pferdekörper umgehen müssen und natürlich bei der Wahl von Handlungen und Bewegungen, die wir vom Pferd einfordern. Vor allem aber sollten wir alle „Hilfsmittel“, die direkt oder indirekt in den Pferdekörper eingreifen, wieder und immer wieder auf einen strengen Prüfstand stellen. Das es auch anders geht, zeigt eindruckvoll die „biomotorische Bewegungsausbildung“ auf dieser Webseite.
Sicher liegt eine gewisse Ironie darin, dass der Mensch den Pferdekörper gezielt in strukturierten Bewegungen trainiert und formt. Das aber der Weg, mit dem DAS PFERD seine Bewegungen seit Jahrtausenden ausprägt hat, tatsächlich ein Körper- und Entwicklungsprozess des Pferdes des Organismus und des Körpersystems ist, verstehen wir erst, wenn wir uns – auch klar – damit beschäftigen (übrigens bekommt der Mensch damit auch den schnellsten Zugang zum Pferd).
Vom Pferdekörper abgekommen?
Ist es nicht extrem kurios, dass wir üblicherweise Verhaltensweisen und Bewegungen beim Pferd „züchten“, mit denen wir dann nicht mehr umgehen können, uns mit „Hilfsmitteln“ Hilfe und Macht versprechen und trotzdem die Negativ-Wirkung nicht auffangen können? Dafür aber treffsicher genau DIE Bewegungen verfehlen und sogar verhindern, die wir eigentlich vom Pferd haben wollten.
Je höher der „Output“ – desto geringer der „Input“
Wir können von der natürlichen Entwicklung des Pferdekörpers und dem Schulungsprogramm der Natur nur lernen. Zum Beispiel das, das die „Informationen“ des Menschen nicht die Spur einer Chance haben, im Pferdekörper verankert zu werden, wenn die Bewegungs- und Atemzentren über das Gehirn des Pferdes nicht akiviert werden.
So entsteht übrigen das Phänomen der Wiederholungen und Muster, die Bewegungen immer wieder wiederholen müssen, um Muskeln zu stärken – allerdings ohne die kleinste Erfolgsaussicht…
Beziehen wir dagegen die Erkenntnisse der Hirn-, Stress-, Trauma-, und Reflexforschung einschließlich der Primitivreflexe und der „unbewussten Reflexe“, der genetischen Ausprägung und der Biologie und Bewegungsanatomie (also nicht der statischen Anatomie) in eine Pferdeausbildung ein, so kommt man unweigerlich auf die „Biomotorik des Pferdes“ – also dass, was das Pferd mit seinem Körper seit Jahrtausenden macht, wenn der Mensch nicht „reinpfuscht“
Die Biomotorik des Pferdes zeigt uns, dass das in sich vernetzende, sich selbst regulierende Körpersystem des Pferdes (das dann die tragfähige Körperplastizität erzeugt) unmöglich den Regeln eines strukturierten Muskeltrainings und einseitiger, linearer Körperprozesse folgen kann, sondern dass das Pferd seine (vor allem innerliche) Körpermechanik, Dynamik, wie auch die daraus folgende Kadenz, aus dem Zusammenwirken miteinander verknüpfter Körperprozesse beziehen muss.
Diese „neue“ Körpersicht (neu ist sie nur, weil man die strukturelle Formung des Pferdes über eine lange Zeit vorgezogen hat – bzw. es für den Menschen Umstände gab, wo er das körperliche Gehorsam vorziehen musste) macht zwar Änderungen in unserem Denken und Handeln erforderlich, berührt dann aber die im Pferd angelegte Motivation und den Motor zu seiner persönlichen Entwicklung – vom Fohlenalter bis ins hohe (gesunde) Alter des Pferdes.
Solange wir als Mensch es schaffen auf diese Weise auch die Atembewegungen des Pferdes in Bewegung zu halten und immer wieder aufs Neue in Gang (bzw. Gänge) zu setzen, halten wir auch das psychische Verhalten des Pferdes auf einem zufriedenen Niveau. Das Pferd hat so – also optimal beatmet – die besten körperlichen Chancen, sich mit uns gemeinsam weiterzuentwickeln. Das gemeinsame Reiten wird ein gemeinsamer, körperlicher – aber vor allem organischer Prozess.
Das Pferd lässt das gerne zu, ja fordert das geradezu heraus, denn es hat – siehe oben – ja eine „programmoffene“ Körperkonstruktion und – jeder kann es sehen – das Pferd tut nichts lieber als sich weiterzuentwickeln. Erstmal ist das gut gegen Langeweile UND Stress und zweitens wird dadurch das Pferd der Benutzer seinen eigenen Körpers.
Lassen Sie uns schlussfolgern. Neuronale Verküpfungen, die die Körperplastizität des Pferdes erzeugen, entstehen weder nach einem Bauplan, noch durch ein strukturelles Training oder ein menschliches Formen, und schon gar nicht mit Unterstützung von mechanischen Werkzeugen, sondern sind allein das Ergebnis von Bewegungserfahrungen des Pferdes, bei denen der Atem immer wieder den Bewegungen angepasst wird, und so immer besser eigenreguliert werden kann. Ergo: je mehr Bewegungserfahrungen das Pferd machen kann, desto besser die Regulation der Atmung.
Was, wenn das Pferd von seinem Körper abgekommen ist?
Was ist, wenn das Pferd schon von seinem Körper schon abgekommen ist (oder auch abgebracht wurde) – Bewegungen und Atem in seinem Körper feststecken und es allein eben nicht motiviert genug ist, um neue, schnelle Bewegungen auszuprobieren.
Die Rede ist vom körperlichen Stress des Pferdes, die immer mit Bewegungseinschränkungen, Defiziten in den Atembewegungen und einem Verhalten, dass uns gerne Probleme bereitet, einhergeht. Aber wieso folgt der Pferdekörper Strukturen und körperlichen Strategien, die nicht funktionieren und nicht „beatmet“ werden? Ist das Pferd im Grunde nicht schlauer, als die Fliege hinter der Glasscheibe, die sich zu Tode verausgabt, beim Versuch nach draußen zu kommen?
Sollten wir also einfach aufhören, das Pferd verändern zu wollen? Das Pferd nur noch auf die grüne Wiese stellen? Keineswegs, denn es gibt andere und effektiver Möglichkeiten als nur die Passivität des Pferdekörpers zu fördern – besser gesagt, der Pferdekörper ermöglicht es uns durch die seine Biomotorik, ihn so zu unterstützen, das er sein Bewegungsprogramm und seinen Körper immer wieder erweitern kann.
Ihre Monika Buhl
Wie immer freue ich mich über einen Austausch (auch telefonisch) per email biomotorik@gmx.de oder einen Besuch in Facebook unter „die Biomotorik des Pferdes“ oder „Monika Buhl – Atembewegungen“.