BIOMOTORIK ist die Kunst der Vorbereitung

Biomotorik ist die in der Ruhe und Gelassenheit aufgefangene und gesammelte Lebendigkeit und die Dynamik des Pferdes. Die biomotorischen Bewegungen werden vom Pferderücken her ausgeführt, weil nur so der ganze Ausdruck und Wirksamkeit in ihnen steckt. Und, weil der weiche Bewegungsfluss unendlich gelenkschonender ist.

Biomotorische Bewegungen erzeugen die echte „Versammlung“ des Pferdes, die dem Pferdekörper die mechanischen Belastungen nehmen, die sonst auf den Bewegungsapparat „einwirken“, und „bewirken“ stattdessen ein vollkommenes Zusammenspiel der Bewegungen – so schlicht sie auch sein mögen. Sie zeigen in ihrer Einfachheit, die Kadenz des Pferdes – der Schönschrift der Bewegungen.

Im besten Fall greift alles wunderbar ineinander – die Aufgaben, die beim Reiten an das Pferd gestellt werden, treffen auf einen Körpersystem des Pferdes, bei dem Genick und Rücken so durchlässig und bewegungsfähig sind, dass das Pferd sein Gleichgewicht immer wieder situativ anpassen, seine Beinbewegungen koordinieren und eventuelle Spannungen im Körper ausgleichen kann. Alles im Pferdekörper ist geradegerichtet, verfügbar und vernetzt.

Warum Reiten so viele Vorteile für das Pferd hat

Salopp gesagt: Reiten tut dem ganzen Pferdekörper gut. Herz und Kreislauf, auch die Atmung und der Stoffwechsel profitieren davon und schaffen neue Kräfte. Reiten bewegt die 520 Muskeln im Pferdekörper, wie keine andere Bewegung (die vielleicht aus einem Fluchtreflex entstehen). Es fördert das Bewegungsgefühl des Pferdes, sein Körpergefühl und das Vertrauen zu sich selbst und ist deshalb besonders positiv für die Psyche.

Der „natürliche Trainingseffekt“ der gemeinsamen Bewegung ist für das Herz-Kreislauf-System besonders groß, die Kondition wird gestärkt und das Koordinationsvermögen gefördert. Außerdem ist die die rhythmisch-dynamische Bewegungsfähigkeit des gesamten Körpers optimal für die Gelenke – die von der Bewegung und nicht von der Ruhestellung leben.

Durch die immer wieder gesuchte Durchlässigkeit und Spannungsfreiheit wird der ganze Pferdekörper gut durchblutet und der Stoffwechsel angeregt. Es werden Reize ausgeübt, die für die Ernährung der Körperzellen, der Muskeln und der Muskeln ungemein positiv sind. Die angeregte geschmeidige Beweglichkeit, Geschicklichkeit und das Koordinationsvermögen bescheren dem Pferd jede Menge positive Bewegungserfahrungen und Vertrauen zu der eigenen Bewegungsfähigkeit, die sogar die tiefsten Schichten des Pferdes berühren.

Die Pferdebewegung – weder Mechanik noch Mysterium

Das „Geritten werden“ des Pferdes verlangt eine aktive Beteiligung des ganzen Körpers, weil alle gerittenen Bewegungsabläufe beidseitig (geradegerichtet) und gleichmäßig (durchlässig) erfolgen müssen. So wird Lunge und Zwerchfell in ihrem gesamten Volumen beansprucht, die Atmung aktiviert und rhythmisiert, die einzelnen Wirbel entlastet, die Rückenmuskulatur in ihrer Elastizität gestärkt und Bindegewebe und Organe „massiert“.

Der positive Effekt auf das Verhalten des Pferdes plus der Wert, den das Reiten auf den Körper des Pferdes haben kann, ist so groß, dass ich immer wieder für das Reiten werben möchte.

ABER!

Lange Zeit bedeutet das Reiten für den Pferdekörper und seinen zur Verfügung stehenden Atem eine große Herausforderung, die eine besonders sorgfältige Vorbereitung der Körperfunktionen verlangt. Spannungszustände und falsche Körpermechanik, Stress und Unsicherheit verhindern die Sauerstoffversorgung der Zellen. Außerdem hinterlassen schlechte Bewegungserfahrungen nicht nur Spuren im Ausdruck des Pferdes, sondern vor allem in seiner Psyche – sie sind seine bewegte (oder nicht bewegte) Biografie.

Doch nicht nur Spannungen und Widerstände im Körper und Organismus hinterlassen ihre Spuren, sondern auch die oft unterschätzte „Arbeitslosigkeit“ und „Bewegungslosigkeit“ des Pferdes, weil durch die chronische Atemlosigkeit, wieder nicht genug Sauerstoff zu den Zellen transportiert wird.

Was also, wenn nicht alles wunderbar ineinandergreift – sondern das Pferd Widerstand, Unlust oder sogar Ablehnung gegen den Menschen zeigt. Wenn Gelenkbelastungen, Atemprobleme oder Stoffwechselstörungen das Reiten einschränken? Wenn wir die Pferdebewegungen missbrauchen – oder sich das Pferd verweigert?

Welchen Nutzen hat das Reiten für das Pferd – und was sind die Belastungen und Risiken?

Mich beschäftigt seit Jahren die Frage, wie wir dem Pferd die Bewegungen unter dem Menschen erleichtern können, wir die fehlenden Bewegungsmöglichkeiten ersetzen können – die das Pferd sonst in der Sicherheit der Herde macht – und so über die Interaktion lernt, was die anderen können. (Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass das Pferd bei uns auf sich allein gestellt ist – das allein birgt schon eine Menge Schwierigkeiten, vor allem, wenn das Pferd noch jung ist)

Bei aller Suche nach den körperlichen Funktionsweisen und Wirksamkeiten, bei der die positive Wirkung des Reitens zum Tragen kommen kann, stand aber für mich immer auch die Frage im Raum, wie man meine geliebte klassische Reitkunst in die heutige Zeit adaptieren kann? Das Ziel vieler Schulen von früher war absoluter Gehorsam, das darf sich gerne ändern. Mit dem Wissen von heute, kann eine völlig veränderte Einstellung zum Pferd und seinen Emotionen gegenüber entstehen.

Das Pferd steht heute einer Situation gegenüber, die, wie ich glaube, in der doch äußerst wechselvollen Geschichte der Reitkunst noch nie gegeben hat. Eine unreflektierte Übertragung der doch extrem unterschiedlichen Methoden in unsere heutige Zeit, bedeutet ein Fischen im Trüben – und genau das dürfen wir dem Lebewesen Pferd nicht zumuten.

Vor vielen Jahren schon, begann ich deshalb in Bewegungen und Funktionen zu denken – und nicht mehr in Ausführungen. Ich für meinen Teil will mit meiner Neugierde nach „Neuem“, das „Alte“ bewahren, die Gedanken einer Reiterei erhalten, die in langen Jahrhunderten wahrscheinlich schon mal alles ausprobiert haben und die ich durch meinen Mentor Brigadier Kurt Albrecht direkt am Herzschlag kennenlernen durfte. Damals war der Beginn der BIOMOTORIK – aber das wusste ich noch nicht.

Reiten allein reicht nicht

Eines kann ich in der Rückschau feststellen: Ich wäre nie auf die Idee der „biomotorischen Übungen“ gekommen – also nach Bewegungen, die DAS PFERD braucht und der Kunst, den gemeinsamen Bewegungsfluss in jedem Moment, in jeder Schwierigkeit, in jeder Lektion, in jeder Langsamkeit und vor allem in der Dynamik erhalten zu können – wenn ich mich auf die heutigen Ausbildungen und Varianten und die besonderen Fähigkeiten besonderer Reiter verlassen hätte.

Ich hätte da mal eine Frage?

Wir müssen uns für ein ehrliches Reiten des Pferdes, genauso viele Fragen stellen – wie wir aus heutiger Sicht „in Frage“ stellen müssen. Was sind reit-spezifische Belastungen? Woran merke ich die typischen Belastungssymptome schon im Vorfeld? Wann besteht die Gefahr einer Überlastung? Von welchen Bewegungen ist abzuraten? Welche Muskel- und Bindegewebsstrukturen, welche Körpermechanik ist besonders gefordert – und wie kann man diese Belastung minimieren?

Wer Reiten am Leben erhalten will, braucht Reflektionsfähigkeit. Denn Reiten bedeutet die Fähigkeit des Reiters das Pferd zu regulieren und dem Pferd seine angeborene Energie zu belassen. Das Hauptziel darf also gerne sein, „Reiter zu machen“ und nicht dem Pferd Bewegungen beizubringen, mit denen der Mensch umgehen kann und die ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.

Wie schwer ist Reiten zu erlernen?

Reiten verlangt vom Reiter sehr viel Gefühl für den eigenen Körper und sein Gleichgewicht, Einfühlung und Anpassungsfähigkeit für die von nun an gemeinsamen Bewegungen. In seiner Bewegungsfähigkeit muss der Reiter wahrnehmen können, wann seine „Unterstützung“ zur Belastung wird, damit das Pferd Sicherheit und Vertrauen zum Körper des Menschen bekommt. Er muss ein sicheres Gefühl für seine Hände und Beine und den möglichen Einsatz entwickeln.

Damit der Reiter das Pferd leicht, also ohne übermäßige Anstrengung des Pferdes in die Vielfalt seiner Bewegungen bringen kann, muss er mit den Federkräften des Pferdes spielen können – nicht mit der Muskelkraft – das ist für das Pferd selten verständlich und endet gerne in Widerstand. Apropos Widerstand – das Pferd in seinen Spannungen und Widerständen seines Körpers zu belassen und es zu unterwerfen, kann niemals – never ever – der Sinn einer Reiterei sein und darf NICHT zu den erstrebten Zielen gehören.

Ich habe die BIOMOTORIK so entwickelt, dass sie das alles abdecken kann. Die „biomotorischen Übungen“ haben ihre besondere Wirksamkeit im Pferdeköper, belassen dem Pferd seine Fähigkeiten und Bewegungen, bereiten es aber sehr sorgfältig auf die anderen Ansprüche, Eindrücke und Wahrnehmungen vor. Ja, es ist dann sogar so, dass der spürbare Eindruck von der Harmonie der Bewegungen so intensiv ist, dass der Reiter ungern in Bewegungen geht, die dieses vollkommene Zusammenspiel verändern.

In den „Reiterschulungen“, dem Seminar „von Körper zu Körper“ kann sich der Mensch um seine körperlichen Fähigkeiten kümmern, wie zum Beispiel um seine „durchlässige Hand“ und den „schmeichelnden Beinen“.

So sind Pferd und Mensch perfekt dafür vorbereitet, um eine Reiterei zu leben (oder vielleicht sogar aufleben) zu lassen, bei der es immer „nur“ um die gemeinsame Abstimmung der beiden Körper gegangen ist. Darum, die natürlichen Gänge des Pferdes zu regulieren und zu vervollkommnen, und dem Pferd durch Biegsamkeit, Bewegungsfähigkeit und Bewegungsspiel den nötigen Antrieb und Bewegungsfreude zum Reiten zu verschaffen.